Der demografische Wandel erfordert die Stärkung des Generationen-Miteinanders

Der demografis­che Wan­del macht sich immer stärk­er bemerk­bar. So ist in Oberöster­re­ich in den let­zten 40 Jahren das Durch­schnittsalter der Bevölkerung um 7,4 Jahre angestiegen. 2030 wird die Gen­er­a­tion der Baby­boomer mehrheitlich in Pen­sion gegan­gen sein und die öffentliche Haushalte — ins­beson­dere bei den Pen­sions- und Gesund­heit­saus­gaben — vor große Her­aus­forderun­gen stellen. In vie­len Bere­ichen des öffentlichen und pri­vat­en Lebens sind wir noch nicht aus­re­ichend auf die demografis­chen Gegeben­heit­en der Zukun­ft eingestellt. An der Beant­wor­tung der Frage, wie man diese anpassen kann, arbeit­et die ACADEMIA SUPERIOR.

Erste konkrete Ansätze und Empfehlun­gen für die oberöster­re­ichis­che Poli­tik liefert die Studie der ACADEMIA SUPERIOR „Grund­la­gen und Ansätze ein­er Gen­er­a­tio­nen­poli­tik in Oberöster­re­ich”, welche von Beiratsmit­glied Prof. Dr. Hel­mut Kramer erstellt wurde. Zur Präsen­ta­tion und Diskus­sion der wichtig­sten 10 The­sen aus der Studie wur­den auch der Ökonom Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schnei­der (eben­falls Beiratsmit­glied) und der Geschäfts­führer der SPES-Zukun­ft­sakademie, Mag. Johannes Bran­dl, ein­ge­laden. Außer­dem zeigten sich zahlre­iche Per­sön­lichkeit­en aus Poli­tik, Ver­wal­tung und der Zivilge­sellschaft inter­essiert am The­ma und nah­men rege an den Diskus­sio­nen teil.

„Der Dia­log und das Gen­er­a­tio­nen-Miteinan­der muss auf eine neue Basis gestellt wer­den.” – Michael Strugl

Erfol­gsver­sprechende Lösungsan­sätze zur Sta­bil­isierung des Umlagev­er­fahrens in der Sozialver­sicherung liegen in ein­er Kom­bi­na­tion von — teil­weise sehr unpop­ulären — Maß­nah­men: län­geres Arbeit­sleben, mehr Zuwan­derung, mehr Frauen in der Arbeitswelt ( durch z.B. ein besseres Ange­bot an Kinder­be­treu­ung­sein­rich­tun­gen), Aus­bil­dungswege für ein lebenslanges Ler­nen und wirtschaftliche Anreize, um die Men­schen länger im Erwerb­sleben zu hal­ten. All diese Punk­te kön­nen die finanziellen Her­aus­forderun­gen, die auf die Gesellschaft zukom­men, abmildern und gle­ichzeit­ig neue Per­spek­tiv­en und Chan­cen eröff­nen. Denn die steigende Lebenser­wartung ist kein Fluch, son­dern ein Geschenk, das nur richtig genützt wer­den muss. Dazu braucht es jedoch die entsprechen­den Rahmenbedingungen.

10 Thesen zur Generationenpolitik:

  1. Die steigende Lebenser­wartung und Inno­va­tion sind eine Chance
  2. Fair­ness zwis­chen den Gen­er­a­tio­nen ist eine höchst sen­si­ble Spannungszone
  3. Gen­er­a­tio­nen­poli­tik ist nicht nur The­ma des Staates
  4. Inter­gen­er­a­tionale Gerechtigkeit kann nicht kat­a­l­o­gisiert werden
  5. Gen­er­a­tio­nen­poli­tik ver­ringert den Spiel­raum für Polemik und Einseitigkeit
  6. Demographis­che Alterung führt zu Kos­te­nanstieg für öffentliche Haushalte
  7. Die Bedro­hung der Gen­er­a­tio­nen­gerechtigkeit geht primär von den ver­schlechterten Aus­sicht­en für die junge Gen­er­a­tion aus
  8. Ver­längerung der Leben­sar­beit­szeit ist in Öster­re­ich unpopulär
  9. Es gibt kein Leit­bild der Gen­er­a­tio­nen­poli­tik in Österreich
  10. Oberöster­re­ich ver­fügt über eine erfol­gsver­sprechende Aus­gangspo­si­tion in Bezug auf einen pro­fil­ierten gen­er­a­tio­nen­poli­tis­chen Ansatz

Stu­di­en­au­tor Prof. Dr. Hel­mut Kramer, ehe­ma­liger Chef des Wirtschafts­forschungsin­sti­tuts (WIFO), stellte die zehn The­sen zur Gen­er­a­tio­nen­poli­tik in OÖ vor und gab auch gle­ich erste Anre­gun­gen, wie das Land noch rechtzeit­ig auf die Her­aus­forderun­gen reagieren kön­nte. Viele Aspek­te der Gen­er­a­tio­nen­frage sind vor­wiegend auf regionalen und lokalen Ebe­nen zu beant­worten. Deshalb muss die Aufmerk­samkeit von Gemein­den und regionalen Organ­i­sa­tio­nen für die The­matik erhöht wer­den. Gle­ichzeit­ig müssen für die Jugend mehr Möglichkeit­en zur aktiv­en Ein­bringung in die Gestal­tung der Zukun­ft geschaf­fen wer­den — denn durch die große Dom­i­nanz älter­er Gen­er­a­tio­nen in der zukün­fti­gen Bevölkerungsstruk­tur, dro­hen die Anliegen der jun­gen Gen­er­a­tion im klas­sis­chen demokratis­chen Prozess immer mehr unterzugehen.

Für das Find­en neuer Antworten ist jedoch nicht mehr lange Zeit. Denn bere­its im Jahr 2030 wird Öster­re­ich 4 bis 5 Prozent mehr vom Brut­toin­land­spro­dukt für die Pen­sio­nen aus­geben müssen, als derzeit. Die Nutzung von bere­its vorhan­de­nen Erken­nt­nis­sen aus dem nahen Aus­land und dem Inland, sowie die Stärkung des zivilge­sellschaftlichen Ein­satzes, zählen dementsprechend zu den wichtig­sten Ratschlä­gen des Experten für Oberöster­re­ichs Poli­tik, um rasch inno­v­a­tive Wege zu gehen.

„Keine Fam­i­lie sagt: Ich leiste mir das jet­zt, weil meine Kinder zahlen das dann schon. Nur der Staat macht das derzeit so.” – Michael Strugl

Der Ökonom Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schnei­der kom­men­tierte die Studie aus der volk­swirtschaftlichen Per­spek­tive und verortete die größten Treiber eines möglichen Gen­er­a­tio­nen-Clashs in den steigen­den Staatss­chulden und dem gerin­gen Pen­sion­santrittsalter in Öster­re­ich. Denn die Jugend müsse bald die dop­pelte Belas­tung tra­gen: ein­er­seits die höheren Aus­gaben für das Gesund­heits- und Pen­sion­ssys­tem und ander­er­seits die hohen Schulden­rück­zahlun­gen durch die exzes­sive staatliche Schulden­poli­tik der let­zten Jahrzehnte.

„Wir haben die Fair­ness ver­lassen, weil die ältere Gen­er­a­tion sich nicht mehr über­legt, was die Jun­gen ein­mal schul­tern müssen.” – Friedrich Schneider

Erfolgreiche generationenverbindende Beispiele

Einige Beispiele für bere­its heute erfol­gre­iche gen­er­a­tio­nen­verbindende Pro­jek­te zeigte Mag. Johannes Bran­dl, Geschäfts­führer der SPES Zukun­ft­sakademie: So hat die Gemeinde Eich­stet­ten (Baden-Würt­tem­berg) den Gen­er­a­tio­nen-Ver­trag selb­st über­nom­men und fördert sei­ther neue Wege, um ältere Men­schen in der Gemeinde stärk­er zu unter­stützen. Als oberöster­re­ichis­che Beispiele, die zeigen, wie das Gen­er­a­tio­nen-Miteinan­der bess­er funk­tion­ieren kön­nte, nan­nte er die Zeit­bank-Pro­jek­te zur organ­isierten Nach­barschaft­shil­fe (Bsp.: Eine Nach­barin bügelt Wäsche, dafür küm­mert sich jemand ander­er um ihren Garten) oder die Grün­dung von lokalen Jugend- und Bürg­er­räten in einzel­nen Gemein­den. (Mehr dazu in der Präsen­ta­tion von Mag. Bran­dl rechts)

„Wir müssen wegkom­men vom Denken, dass Finanz-Kap­i­tal für unsere Gemein­den wichtig ist und die Bedeu­tung des Sozial-Kap­i­tals stärk­er ins Zen­trum rück­en.” – Johannes Brandl

Diese Beispiele zeigen, dass es schon heute viele Lösungsan­sätze und Pro­jek­te für das Gen­er­a­tio­nen-Miteinan­der der Zukun­ft gibt, die Poli­tik muss nur Rah­menbe­din­gun­gen für die Vielfalt an Ideen schaf­fen und mutige Aktiv­itäten setzen.

Der Jugend Perspektiven bieten

Wie kann den Bedürfnis­sen zukün­ftiger Gen­er­a­tio­nen im gegen­wär­ti­gen poli­tis­chen Diskurs ein größeres Gehör ver­schafft wer­den? Wie kön­nen wir attrak­tive Per­spek­tiv­en für die Jugend — trotz der hohen Belas­tun­gen, die auf sie zukom­men wer­den — erhal­ten? Dies sind nur zwei Beispiele der zahlre­ichen Fra­gen, die das engagierte Pub­likum in der Diskus­sion beschäftigten. Grund­sät­zlich wurde fest­gestellt, dass die „Jugend” nicht so grundle­gend anders denkt als die „ältere” Gen­er­a­tion, wie oft ver­mutet, jedoch sel­tener Beach­tung find­et. „In unser­er Gesellschaft wird man erst richtig ernst genom­men, wenn man einen Beruf hat”, verdeut­lichte Johannes Bran­dl das Prob­lem und Hel­mut Kramer fügte hinzu, dass selb­st wenn die Jugendlichen dann in der Arbeitswelt angekom­men sind, sie meist noch lange in ein­er abhängi­gen Phase leben. Das Para­dox, ein­er­seits eine gute Aus­bil­dung zu besitzen und ander­er­seits wirtschaftlich im Prekari­at zu existieren, bet­rifft immer größere Teile der Jugend.

„Die Jun­gen brauchen die Möglichkeit, über­haupt Beiträge zahlen zu kön­nen.” – Hel­mut Kramer

Der Hin­weis von Peter Augen­do­pler, Eigen­tümer back­aldrin — The Korn­spitz Com­pa­ny, dass unser Bil­dungssys­tem die Jugendlichen nicht aus­re­ichend auf die Erfordernisse der Arbeitswelt vor­bere­it­et, löste eine Debat­te aus. So gibt es zwar ein­deuti­gr Belege, dass die heutige Jugend mehr kann und auch mehr leis­tet als frühere Gen­er­a­tio­nen, jedoch fehlen für den Prak­tik­er manche Grund­ken­nt­nisse. Auch er ist überzeugt, dass die Jugend mehr kann, wenn ihnen die entsprechende Förderung zuteil wird. Das belegt auch die im europäis­chen Ver­gle­ich rel­a­tiv geringe Jugen­dar­beit­slosigkeit in Öster­re­ich. Einen wesentlichen Aspekt, um sowohl den Inter­essen der Wirtschaft als auch der Per­spek­tiven­gener­ierung der Jugend gerecht zu wer­den, sieht Michael Strugl darin, die Möglichkeit­en und die Attrak­tiv­ität der dualen Aus­bil­dung auszubauen.

„Es gibt so viele tolle Jugendliche, die Kun­st ist nur, dass man sie erwis­cht.” – Peter Augendopler

Zukünftige Generationen mitdenken

Die Frage, wie zukün­ftige Gen­er­a­tio­nen im gegen­wär­ti­gen poli­tis­chen Diskurs mitgedacht wer­den kön­nen, beschäftigt de Obmann der ACADEMIA SUPERIOR eben­falls. „Ich habe das Gefühl, wir sind die erste poli­tis­che Gen­er­a­tion, die weniger übergeben wird als sie selb­st über­nom­men hat”, bekan­nte der Lan­desrat und zielte vor allem auf den hohen öffentlichen Schulden­stand ab. Das grund­sät­zliche Prob­lem verortete Strugl darin, dass „es zum Beispiel viele Pen­sion­is­tenor­gan­i­sa­tio­nen gibt, die sich gegen zu geringe Pen­sion­ser­höhun­gen wehren kön­nen. Aber wer macht sich denn wirk­lich für die Gen­er­a­tio­nen stark, die noch gar nicht geboren sind?” Die demografis­che Entwick­lung wirkt sich dazu noch ver­stärk­end auf die poli­tis­chen Prozesse aus: Poli­tik ist bis zu einem gewis­sen Grad immer auf Wäh­ler­max­imierung aus­gelegt. Da es mehr alte Wäh­lerin­nen und Wäh­ler gibt als junge, wird auch mehr Poli­tik für diese Ziel­gruppe gemacht. Eine Idee wäre es, ana­log zur Fol­gekosten­ab­schätzung, die für alle Lan­des­ge­set­ze durchge­führt wer­den muss, eine „Gen­er­a­tio­nen­nach­haltigkeitsab­schätzung” zu verlangen.

Alle Potentiale nutzen

Friedrich Schnei­der ver­wies in diesem Zusam­men­hang darauf, sich ein Vor­bild an Schwe­den zu nehmen, das in diesen Bere­ichen mit­tler­weile sehr gute Entwick­lun­gen vor­weisen kann. So habe Schwe­den die volk­swirtschaftlichen Schwierigkeit­en des demografis­chen Wan­dels mit­tler­weile bess­er unter Kon­trolle, da es Mod­elle für das „Ein­gleit­en in die Pen­sion” umge­set­zt hat.

„Wir müssen endlich auf allen Ebe­nen anerken­nen, dass wir ein Ein­wan­derungs­land sind.” – Michael Strugl

Gle­ichzeit­ig ver­wies der Experte darauf, dass in der besseren Nutzung der Poten­tiale der Migra­tion ein Schlüs­sel zur Abmilderung der gesamt­ge­sellschaftlichen Aspek­te der Gen­er­a­tio­nen­prob­lematik liegt. Eine wesentliche Voraus­set­zung hier­für liegt jedoch darin, die Deutschken­nt­nisse von Zuwan­dererin­nen und Zuwan­der­ern effek­tiv­er zu fördern — ein Punkt in dem die Poli­tik bish­er jahrzehn­te­lang zu wenig gemacht hat.

Die Ver­anstal­tung wurde unter­stützt von back­aldrin — The Korn­spitz Company.

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