ACADEMIA SUPERIOR DIALOG „Das ganz normale Böse”

    [Linz, 13.05.2013] Am 13. Mai 2013 fand der ACADEMIA SUPERIOR DIALOG mit Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und Prim. Univ.-Prof. Dr. Rein­hard Haller, öster­re­ichis­ch­er Psy­chi­ater und Neu­rologe, im Süd­flügel des Linz­er Schloss­es, mit Unter­stützung der Sparkasse Oberöster­re­ich statt.

    ACAD­E­MIA-SUPE­RI­OR-Dia­log mit Rein­hard Haller und Markus Hengstschläger:

    „Durch­schnitts­falle” trifft „Narziss­mus­falle”

    Mit dem anerkan­nten Gericht­spsy­chi­ater und erfol­gre­ichen Buchau­tor Univ.-Prof. Dr. Rein­hard Haller kon­nte ACADEMIA SUPERIOR — Gesellschaft für Zukun­fts­forschung für die erste Dialogver­anstal­tung des heuri­gen Jahres ein­mal mehr einen inter­es­san­ten Diskus­sion­spart­ner gewin­nen, der gestern Abend im Linz­er Süd­flügel im Gespräch mit Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger mit seinen Erken­nt­nis­sen und Ein­sicht­en mehr als 420 Besucherin­nen und Besuch­er in den Bann zog.

    „ACADEMIA SUPERIOR behan­delt aktuelle Fra­gen auf ein­er sach­lichen Ebene und will so Ein­blick in das Innere der Gesellschaft und Phänomene, die derzeit unsere Gesellschaft aus­machen, gewähren”, betonte Obmann Dr. Michael Strugl in seinem Ein­gangsstate­ment. Mit den Tiefen und Schat­ten­seit­en der men­schliche Psy­che wür­den sich in diesem Dia­log zwei „Fal­l­en­steller” befassen — näm­lich Markus Hengstschläger, Autor des Buch­es „Die Durch­schnitts­falle”, und Rein­hard Haller, Autor des ger­ade erschiene­nen Buch­es „Die Narzissmusfalle”.

    Rein­hard Haller beze­ich­nete sich selb­st als „Geschicht­en­erzäh­ler”, von Geschicht­en näm­lich, die das Prob­lem, aber auch die Lösung bein­hal­ten. Was ist „das Böse”? Obwohl jede und jed­er ein Ver­ständ­nis davon habe, was mit dem „Bösen” gemeint sei, sei eine Def­i­n­i­tion fast unmöglich. Das wiederum mache auch die Fasz­i­na­tion des Bösen aus: die Ver­mu­tung, dass es Teil von uns allen und den­noch schw­er fass­bar sei: „Wir wis­sen alle, dass in uns nicht nur Gutes, son­dern auch etwas Bös­es ist, deshalb ist es so faszinierend”. Nach­satz Hallers: „Ich glaube immer noch an das Gute im Men­schen, aber ich rechne mit dem Bösen”.

    „Was kränkt macht krank — und kriminell”

    An die 400 Mörder und Serienkiller hat der Vorarl­berg­er Psy­chi­ater bish­er getrof­fen, analysiert und begutachtet. Ob sie ein gemein­sames Merk­mal, ein Indiz gebe, will Markus Hengstschläger wis­sen: „Serienkiller sind meist hochin­tel­li­gent, haben Charme und sind damit im höch­sten Maße manip­u­la­tiv”, weiß Haller, doch ihnen allen sei gemein­sam, dass sie sich gottgle­ich als Herr über Leben und Tod stellen. Empathie und Sym­pa­thie seien aber der beste Schutz­fak­tor gegen das Böse, denn: „Wenn wir uns nicht in den anderen ein­fühlen kön­nen, wird es gefährlich”. Was sich in vie­len Fällen auch durchziehe, sei eine tiefe Gekränk­theit der Täter. So erweit­erte Haller den bekan­nten Spruch, „Was kränkt, macht krank” um den Zusatz: „… und kriminell”.

    Was den Psy­chi­ater beson­ders beden­klich stimmt, sind zwei häu­fig gewor­dene Gewalt­phänomene der jün­geren Zeit: School-shoot­ings und Fam­i­lien­tragö­di­en. Bei den Tätern der weltweit bish­er ins­ge­samt 103 Fälle von School-shoot­ings han­dle es sich durch­wegs um junge Män­ner aus gutem Haus, intel­li­gent und aufgeschlossen. Ein gemein­sames Merk­mal sei wiederum eine tiefe Kränkung. So ortete der Psy­chi­ater in den Tat­en das Motiv, „ein­mal wichtig sein zu wollen, ernst genom­men zu wer­den, Tri­umph durch Stärke zu beweisen”. Tiefe Kränkung sieht Haller auch als Grund bei den meis­ten Fam­i­lien­tragö­di­en, in denen der Täter ein let­ztes Mal Stärke beweisen wolle. In Öster­re­ich gebe es jährlich 100 — 150 Tötungs­de­lik­te, zwei Drit­tel davon seien Beziehungs­de­lik­te. „Wir lesen ‚Fam­i­lien­tragöde” und sind beruhigt. Tat­säch­lich müssen wir beun­ruhigt sein. Denn: kein­er weiß, wie wir dem vor­beu­gen kön­nen”. In Anlehnung an die verpflichteten Hochzeitsvor­bere­itungskurse schlägt Haller etwa Schei­dungsvor­bere­itungskurse vor, in denen gelehrt werde, mit Kränkun­gen umzugehen.

    Der Umgang mit der psy­chis­chen Leben­surkraft Aggressivität

    Notwendig ist für Haller auch die pos­i­tive Umwand­lung von Aggres­sion als Leben­surkraft von der kriegerischen Tätigkeit etwa hin zum Sport. Denn der beste Umgang mit Aggres­sion sei eine Umwand­lung in Kreativ­ität, Leis­tung, Sport, Kul­tur. Zugle­ich warnte er: „Wir haben weniger Ven­tile, um Aggres­sion her­aus zu lassen, in unser­er regle­men­tierten Welt”.

    Was tun gegen das Böse?

    Wis­senschaftlich gese­hen gibt es laut Haller drei ein­fache Ver­hal­tensweisen, die bere­its bei Kindern als Indika­toren für spätere Delik­te gel­ten wür­den: Schulschwänzen, Tierquälen und Feuer leg­en. Als entschei­dende Fak­toren, um bösem Ver­hal­ten ent­ge­gen­zuwirken, nen­nt Haller in der Erziehung den richti­gen Umgang mit den drei „Z”: Zuwen­dung, Zärtlichkeit, Zeit. „Es sind ganz ein­fache Dinge, die meines Eracht­ens das Böse hin­tan­hal­ten kön­nen. Neben dem ‚Acht­sam sein” ist eines der wichtig­sten Dinge der Umgang mit Lob”, plädiert Haller, denn: „Das echte Lob ist extrem sel­ten”. Der Men­sch brauche aber das Lob in einem hohen Maße und das sei auch ein Schutz gegen Bös­es, Sucht und vor über­steigertem Narzissmus.

    Die Narziss­mus­falle

    Hallers neuestes Buch beschäftigt sich mit einem Phänomen unser­er Zeit, dem wach­senden Narziss­mus. Für ein gesun­des Ich-Bewusst­sein, Selb­stver­trauen und Durch­set­zungsver­mö­gen brauche der Men­sch ein gewiss­es Maß an Narziss­mus. Aber „Narziss­mus ist ein Prinzip gewor­den, ein Ide­al”, warnte Haller. Sich selb­st darzustellen wird gesellschaftlich gefördert, gefordert und unter­stützt durch die Medi­en. Narzis­sten seien selb­st-ver­liebt und dünnhäutig — „Meis­ter im Austeilen, aber Mimose im Ein­steck­en”. Sie kön­nten sich nicht in andere hine­in­fühlen und wür­den sich auf Kosten ander­er pro­fil­ieren. So lautete der abschließende Appell des Psy­chi­aters: „Es ist Zeit, Stopp zu sagen, um wieder etwas Beschei­den­heit, soziale Wärme und Sol­i­dar­ität einkehren zu lassen.”

    Mehr als 420 Besucherin­nen und Besuch­er sind gestern Abend der Ein­ladung von ACADEMIA SUPERIOR in den Süd­flügel des Linz­er Schloss­es gefol­gt. Unter­stützt wurde die Ver­anstal­tung von der Sparkasse Oberöster­re­ich, vertreten durch Gen­eraldirek­tor Dr. Markus Lim­berg­er. Obmann Dr. Michael Strugl kon­nte neben den promi­nen­ten Diskus­sion­spart­nern Univ.-Prof. Dr. Rein­hard Haller und Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, Wis­senschaftlich­er Leit­er von ACADEMIA SUPERIOR, auch eine Rei­he weit­er­er Per­sön­lichkeit­en begrüßen, unter anderem: Dekan Univ.-Prof. Dr. Erich Peter Kle­ment (Johannes Kepler Uni­ver­sität), Uni­ver­sitäts­di­rek­torin Mag. Brigitte Mössen­böck (Anton Bruck­n­er Pri­vatu­ni­ver­sität), Lan­despolizei­di­rek­tor-Stv. Mag. Erwin Fuchs und Dr. Clau­dia Schwarz (Geschäfts­führerin ACADEMIA SUPERIOR).


    Foto 1: v.l.n.r.: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, wis­senschaftlich­er Leit­er ACADEMIA SUPERIOR, Prim. Univ.-Prof. Dr. Rein­hard Haller, öster­re­ichis­ch­er Psy­chi­ater und Neu­rologe, Beiratsmit­glied ACADEMIA SUPERIOR

    Foto 2: v.l.n.r.: GD Dr. Markus Lim­berg­er, Sparkasse Oberösterreich
    Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, wis­senschaftlich­er Leit­er ACADEMIA SUPERIOR, Prim. Univ.-Prof. Dr. Rein­hard Haller, öster­re­ichis­ch­er Psy­chi­ater und Neu­rologe, Beiratsmit­glied ACADEMIA SUPERIOR, Dr. Michael Strugl, Obmann ACADEMIA SUPERIOR