Alle rel­e­van­ten Stake­hold­er aus Wis­senschaft, Wirtschaft, Poli­tik und Gesellschaft beto­nen stets die große Bedeu­tung der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion. Die konkrete Umset­zung stellt Unternehmen und ihr führungsper­son­al allerd­ings noch vor große Herausforderungen.

Führungskultur

Die Führungskul­tur ist ein Schlüs­sel der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion. Sie bee­in­flusst, ob Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er aus­re­ichend Raum erhal­ten, um kreativ und inno­v­a­tiv sein zu können:

1. Die Transformation erfordert ein neues Verständnis von Führung, die Zusammenarbeit, dezentrale Entscheidungen und Unternehmertum auf allen Ebenen fördert.

Führungskräfte sind gefordert, Kom­pe­ten­zen für die Trans­for­ma­tion zu ver­mit­teln und Beschäftigte zu coachen. Hor­i­zon­tal Lead­er­ship wird in der Indus­trie bis­lang sel­ten gelebt. Hil­fre­ich sind häu­fige Per­spek­tiven­wech­sel (beispiel­sweise durch eine Arbeit­splatzro­ta­tion bei Führungskräften).

Früher braucht­en Vorstände keine Köpfe, son­dern Hände, um Konzepte schnell aus­rollen zu kön­nen. Dieses Par­a­dig­ma wird im Zuge der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion auf­brechen. In der Folge wer­den Hier­ar­chien an Bedeu­tung verlieren.

Eine neue Her­aus­forderung für Führungskräfte beste­ht darin, dass bei Net­zw­erkar­beit deut­lich weniger Kon­trollmöglichkeit­en bestehen.

2. In der Transformation müssen Entscheidungskompetenzen und ‑verantwortung glaubwürdig delegiert werden, um Gestaltungsmöglichkeiten für junge Leute im Unternehmen zu schaffen.

Sie müssen überzeugt sein von dem, was sie tun, und dür­fen sich nicht unter­fordert fühlen. In der „dot. com“-Zeit ver­sucht­en etablierte Großun­ternehmen schon ein­mal, junge Inno­va­torin­nen und Inno­va­toren mit Unternehmergeist in die DAX-30-Unternehmen zu bekom­men – viele sind auf­grund zu geringer Hand­lungsspiel­räume und strik­ter Hier­ar­chien wieder gegan­gen. Wie kön­nen wir Führungsver­ant­wor­tung authen­tisch delegieren und gute Bedin­gun­gen für junge Leute schaf­fen, die intrin­sisch motiviert sind?

Die Frage ist nicht neu. Sie ist allerd­ings zurzeit beson­ders erfol­gskri­tisch, da für die Dig­i­tal­isierung keine Blau­pause für Unternehmen vor­liegt. Sie sind auf viele dezen­trale Ideenge­ber und Entschei­der angewiesen.

3. Führung steht vor einem neuen Dilemma: Die digitale Transformation kann einerseits nicht (allein) bottom-up gelingen – andererseits ist das Paradigma von der Führung top-down überholt.

Die Forderun­gen nach mehr Par­tizipa­tion im Unternehmen dür­fen im Übri­gen nicht missver­standen wer­den: Es geht in der Regel nicht darum, dass Beschäftigte alles mitbes­tim­men wollen – sie wollen vor allem mitentschei­den, was direkt vor Ort im eige­nen Ein­fluss­bere­ich passiert; über die über­ge­ord­nete Strate­gie wollen sie zumin­d­est informiert sein.

4. Der CEO muss als Innovations-Champion an der Spitze der Bewegung stehen.

Die Spitze des Unternehmens muss den dig­i­tal­en Wan­del in jedem Fall maßge­blich treiben. Sie prägt ganz entschei­dend die Denk- und Ver­hal­tens­muster in Organ­i­sa­tio­nen, die aus sich her­aus echte Verän­derun­gen her­beiführen kön­nen, offen für Exper­i­mente sind und beste Bedin­gun­gen für kreative Ideen schaffen.

Diesel­ben Leute im Unternehmen, die früher gesagt haben ‚Der Vor­stand soll sich raushal­ten‘ fordern jet­zt von uns eine Unternehmensvi­sion, die Ori­en­tierung gibt. Diese Vision und die Werte des Unternehmens sor­gen für Sta­bil­ität im Wandel.

5. Führungskräfte müssen Vertrauen für die neuen Technologien schaffen.

Pilot­pro­jek­te helfen dabei. Führung/Leadership beziehungsweise Glaub­würdigkeit und Ver­trauenswürdigkeit entschei­den darüber, wann die Belegschaft und externe Part­ner­in­nen und Part­ner davon überzeugt sind, dass die Trans­for­ma­tion tat­säch­lich stat­tfind­et, sodass sie sich darauf ein­stellen können.

6. Bei der Gestaltung der neuen Arbeitswelt für die digitale Transformation bewegen Unternehmen sich immer an Vertrauensgrenzen. Sie müssen eine produktive Balance finden zwischen Transparenz und Kontrolle.

In der dig­i­tal­en Arbeitswelt wer­den die Beschäftigten für ihren Arbeit­ge­ber ein Stück weit trans­par­ent. Eine gute Führungskul­tur zeich­net sich dann durch Fair­ness im Umgang mit Fehlern aus, die in der dig­i­tal­en Welt schneller und öfter erkan­nt wer­den und stärk­er indi­vidu­ell zurechen­bar sein wer­den. Diese Diskus­sion und auch die Diskus­sion um Daten­sicher­heit und Daten­schutz gehören zu ein­er über­ge­ord­neten Risikode­bat­te, die wichtig für Fortschritt ist; sie muss vor allem von den Arbeit­ge­bern aktiv geführt wer­den. Für Gew­erkschaften wird die Ver­trauensgren­ze ein Schlüs­selthe­ma sein: Wie stark wer­den Beschäftigte tat­säch­lich kon­trol­liert und an welchen Stellen wird ihnen Ver­trauen aus­ge­sprochen, obwohl Kon­trolle möglich wäre? Trade­offs müssen offen ange­sprochen werden.

7. Gute Führung ist nicht nur für den Wandel „nach vorne“ nötig, sondern auch für das partnerschaftliche (Zurück-)Managen von Bereichen, die sich nicht digital transformieren lassen werden.

8. Die Führungskultur eines Unternehmens ist in einigen Branchen auf dem Arbeitsmarkt Common Knowledge und ein enormer Pull-Faktor bei der Rekrutierung.

Wenn Beschäftigte immer weniger auf die Bezahlung schauen und sich zunehmend das Unternehmen aus­suchen kön­nen, in dem sie arbeit­en wollen (und nicht umgekehrt), müssen Arbeit­ge­ber alles daran set­zen, einen erstk­las­si­gen Arbeit­splatz zu bieten. Die Betriebs-KITA – um ein Beispiel zu nen­nen – ist alleine noch kein aus­re­ichen­der Beitrag zur Lebensin­te­gra­tion der Arbeit.

Rekrutierung und Weiterbildung von Führungskräften

Die Führungskul­tur eines Unternehmens verän­dert sich nicht über Nacht. Unternehmen ste­hen vor der Her­aus­forderung, geeignete Führungskräfte für den Wan­del zu find­en und die beste­hende Führungs­man­nschaft in der Bre­ite für die Trans­for­ma­tion fit zu machen:

1. In der Breite fehlen Führungskräfte und eine Führungskultur, die Diversität und radikales Experimentieren ermöglichen.

Unternehmen haben zwar in der Regel gute Pro­jek­tleitun­gen für die Führung inno­v­a­tiv­er Teams. Ein pro­fes­sioneller Umgang mit Diver­sität bedeutet aber, dass diese auch wirk­lich aktiv genutzt wird. Bis­lang wird Diver­sität allen­falls eher „toleriert“.

2. Der richtige „Fit“ und ein gewisser Berufsethos (dazu kann auch Beständigkeit gehören) spielen bei der Rekrutierung von Managerinnen und Managern nach wie vor eine wichtige Rolle – gerade für die klassischen Unternehmensbereiche.

Nur noch den ver­meintlich besten Man­agern aus dem Sil­i­con Val­ley hin­ter­herzuren­nen, kann für deutsche Unternehmen nicht die Lösung sein. Die Abstoßungsreak­tio­nen im Unternehmen wären viel zu groß.

Die Syn­chro­ni­sa­tion der klas­sis­chen Unternehmen­skul­tur und der neuen dig­i­tal­en ist eine schwierige Aufgabe.

3. Führungskräfte müssen konsequent und in der Breite für die digitale Revolution fit gemacht werden.

Damit Führungskräfte die dig­i­tale Rev­o­lu­tion glaub­würdig und kom­pe­tent „von vorne“ treiben und geeignete Bedin­gun­gen für den Wan­del ihres Unternehmens schaf­fen kön­nen, benöti­gen sie eine dig­i­tale Frischzel­lenkur. („Sofort-“)Maßnahmen, die von eini­gen (ins­beson­dere Großun­ternehmen) mit ersten Erfol­gen ergrif­f­en wur­den, umfassen beispiel­sweise verpflich­t­ende Design- Think­ing-Sem­i­nare, dig­i­tale Boot­camps, Work­shop- Wochen im Sil­i­con Val­ley, Entre­pre­neur­ship-Train­ings als Online-Kurse beziehungsweise Nano-Degrees, Kul­tur­dialoge zur dig­i­tal­en Rev­o­lu­tion und verpflich­t­ende Face­book-Accounts – und zwar min­destens für die Top- 500-Führungskräfte im Unternehmen.

Bei der Weit­erqual­i­fizierung müssen wir als Arbeit­ge­ber auch noch flex­i­bler wer­den. Wir müssen unseren Leuten sagen kön­nen: ‚Nimm dir im Zweifel einen Monat frei, um einen Kurs vernün­ftig abzuschließen – die Kosten teilen wir uns.‘