Woran arbeiten Sie? „An einem neuen Finanzausgleich Föderalismus mit dem Ziel, ihn so zu vereinfachen und darzustellen, dass er auf einem Bierdeckel Platz hat”, beantwortet Univ. Prof. Friedrich Schneider die Eingangsfrage beim Gespräch am Institut. Weitere Themen der aktuellen Arbeit sind: Benchmarking für Oberösterreich, alternative Wohlstandsmaße, ökosoziale Marktwirtschaft in den repräsentativen Demokratien und Schattenwirtschaft mit dem Schwerpunkt individueller Analyse. „Meine Kernfrage ist: Was treibt die Menschen in den Pfusch, wenn sie mit der Regierung unzufrieden sind. Verdruss, Steuermoral und Unzufriedenheit führt direkt zum Pfusch”, weiß Schneider. Das fehlende Vertrauen in die effiziente Verwendung „meines Steuergeldes” ist ein Hauptmotor.
Überrascht von der Vehemenz und Hartnäckigkeit
„Wirklich überrascht hat mich die Schnelligkeit, die Vehemenz und die Hartnäckigkeit des Aufstandes im arabischen Raum. Dort sind Menschen bereit, das Leben für eine gute Sache einzusetzen und zu opfern”, meint Schneider auf die Frage ‚Was hat überrascht?‘ mit einem bewundernden Unterton. Überrascht zeigt sich der Wirtschaftswissenschafter, der auch für die Europäische Zentralbank im Einsatz ist, von der „geringen Kreativität” der Politik, die europäischen Probleme anzugehen. Er sieht praktisch keine Solidarität. Dafür ist „Eigennutzendenken der politischen Akteure” enorm ausgebaut. Er ärgert sich über die medial vorgebrachten Klischeebilder gegenüber Griechenland. Schneider weiß aus seiner Arbeit, dass die Griechen um 6 Stundenlänger arbeiten als wir und fast jeder zwei Jobs hat, um sich über Wasser zu halten. Mit Faulheit hat das nichts zu tun. Besonders auffällig ist, „dass das öffentliche Gut derzeit wieder so stark in Frage gestellt wird.” Schneider war auch jahrelang in den USA: „Dort überrascht mich die derzeitige Trendumkehr: alles wird restriktiver und es gibt eine ausgeprägte Abschottung, wie wir sie sonst nur aus Europa kennen. Die Zäune an der Grenze zu Mexiko zeigen, dass der ‚Spirit der Amerikaner‘ wirklich am Boden ist.”
Bienenfleißig und harte Arbeit
Schneider sieht mit Blick auf wichtige Fragestellungen für die Politik folgenden Tatbestand: „Derzeit macht eine bienenfleißige und hart arbeitende Bevölkerung das alles wett, was an Visionslosigkeit und Untätigkeit bei der Politik da ist.” Wie kann man eine Perspektive gewinnen?, ist die entscheidende und berechtigte Frage der Jugend. „Die Parteien sind heute zu träge und zu satt. Die dort Handelnden sind in erster Linie auf die eigene Karriere bedacht und in diesem Zusammenhang ist ‚Freunderlwirtschaft‘ nach wie vor massiv da.” Schneider schildert Beispiele, wo es immer zuerst um Postenbesetzung gegangen ist und nicht um Themen oder Aufgaben: „Die Anliegen der Menschen werden heute nicht gehört und kommen auf der politischen Agenda nicht vor.”
Es braucht Farbe und Visionen
Schneider versucht, die Stimmung gegenüber der politischen Szene so zusammenzufassen: „Es wird alles total farb- und visionslos erlebt.” Es gäbe die ökosoziale Marktwirtschaft und niemand greift sie auf, verkörpert sie und gibt sie der Politik als Vision vor. Schneider sieht solche Themen vor allem auch als Herausforderung von ACADEMIA SUPERIOR: „Ich mache mit, weil ich diese Gesellschaft für Zukunftsforschung als Forum sehe, Meinungen auszutauschen und öffentlich zu verbreiten. Außerdem möchte ich mein Wissen weitergeben bzw. der Gesellschaft zurückgeben, durchaus kritisch, weil ich das als die Aufgabe der Wissenschaften sehe.”