„Ziem­lich trist. Aspek­te des Unglücks” war The­ma des „Philosophis­chen Festes”, ein­er Koop­er­a­tion der Fest­wochen Gmunden und der Inter­na­tionalen Akademie Traunkirchen. Passend am einst „lacus felix” genan­nten Traun­see wid­me­ten sich der Philosoph Robert Pfall­er, der Jour­nal­ist und Autor Franz Schuh, der His­torik­er Philipp Blom und der Quan­ten­physik­er Anton Zeilinger unter der Mod­er­a­tion von Jour­nal­istin Rena­ta Schmidtkunz dem Unglück als Zus­tand men­schlichen Verder­bens aber auch Bestrebens.

Wie wir mit der Titanic untergehen

„Ein Unglück kommt sel­ten allen” heißt es im Volksmund und so spricht Franz Schuh vom Unglück im Unglück und den vie­len kleinen Katas­tro­phen, die 1912 zum Unter­gang der Titan­ic führten. Er definiert Unglück als „Mah­n­mal der Endlichkeit, das immer Zuschauer find­et” und fragt mit Bezug auf Susan Son­tag (Regard­ing the Pain of Ohters 2002), wer das kollek­tive „wir” sein soll, wenn man vom Leid ander­er spricht.

Die Kunst, Unglück zu inszenieren

Rein­hard Pfall­er zieht eine Verbindung zwis­chen Unglück und Kun­st und spricht vom Mimen des Unglücks. Men­schen insze­nieren ihr Unglück oder das Unglück ander­er in beson­der­er Weise. Unglück wirkt kausal und ist ver­di­ent, Glück kommt von außen und wird geschenkt. In dem Sinne ist Unglück eine Fik­tion, die wirk­lich­es Unglück her­vor­bringt. Die vom franzö­sis­chen Philosophen Alain for­mulierte „Pflicht glück­lich zu sein” (orig­i­nal: Pro­pos sur le bon­heur 1925) ist fol­glich die Auf­forderung, nicht das eigene Unglück her­aufzubeschwören son­dern die Wil­lens­frei­heit zur Ent­fal­tung des eige­nen Glücks zu nützen.

Geschichten machen Glück und Unglück erfahrbar

Um das Geschicht­en­erzählen geht es Philipp Blom: „Wo das Glück aufhört, da fängt die Sprache an”, kon­tert er dem von Wittgen­stein geprägten Denken, dass die Sprache nicht aus­re­icht, um über das Glück­lich­sein zu sprechen. Das Erzählen von Geschicht­en macht Glück über­haupt erst möglich, meint Blom. So stülpen wir der Real­ität eine nar­ra­tive Struk­tur über, die sie für uns ver­ste­hbar macht und deshalb leben­snotwendig ist. Die so struk­turi­erten Geschicht­en schaf­fen ganz unter­schiedliche Realitäten.

Die Bedeutung von Ereignissen ist nicht linear

Die Verknüp­fung von Spielthe­o­rie und Wahrschein­lichkeit­en nimmt Anton Zeilinger als Aus­gangspunkt um die Frage der Wer­tigkeit­en des Glücks und Unglücks zu beleucht­en. Der Ein­satz beim Lot­toschein ist so ger­ing, dass der Ver­lust nicht als Unglück emp­fun­den wird, die möglichen Gewinne sind hinge­gen ungle­ich höher und damit höher­w­er­tig. Am Beispiel des Finanzsys­tems macht Zeilinger anschaulich, dass die Bedeu­tung von Ereignis­sen nicht lin­ear ist. So kann eine Entschei­dungs­folge mit Entschei­dun­gen, die — jede für sich genom­men — sin­nvoll und gut ist, in Kom­bi­na­tion eine katas­trophale Auswirkung haben.

Die Kultur des edlen Leidenden

Auch kul­turell macht man es uns nicht ein­fach, Glück pos­i­tiv hinzunehmen, leben wir doch in ein­er Kul­tur des lei­den­den Gottes, in der die Opfer­rolle iden­titätss­tif­tend ist. „Lei­den macht edler und würdi­ger” sug­geriert uns das hebräisch geprägte Kul­turerbe. Glück­lich­sein scheint per se sus­pekt und unver­di­ent. Auch die Exis­ten­tial­philoso­phie hat ihren Beitrag zur Schaf­fung ein­er prob­lem­narzis­tis­chen Nation beige­tra­gen, wo Glück­lich­sein gar mit ein­er man­gel­nden Reflex­ion­s­gabe verknüpft wird. Und so ist das Unglück mitunter weniger im Ereig­nis selb­st son­dern in dem Aus­maß sein­er Geschicht­en und Inszenierungen.

Glück in der Freiheit und Selbstbestimmung

Ist Glück und Unglück eine per­sön­liche Eigen­schaft, eine Ver­sion der­sel­ben Geschichte, ein kausal bed­ingtes Zusam­men­spiel ein­er Vielzahl unter­schiedlich­er Para­me­ter? Das Glück find­en liegt in dem Streben und der Sehn­sucht nach Frei­heit und Selb­st­bes­tim­mung. So soll­ten wir nicht mehr von der Unter­schei­dung Opfer ver­sus Täter sprechen, son­dern unter­schei­den zwis­chen Opfer sein ver­sus frei sein, meint auch Rena­ta Schmidtkunz: „Wir dür­fen nicht in den Hedo­nis­mus des Opfers ger­at­en.” Das ist keine leichte Auf­gabe, wird es doch als zutief­st moralisch oder modisch anerkan­nt, Opfer zu sein. Die Auf­gabe beste­ht also darin, echt­es Leid zurück in das Soziale zu holen, es anzuerken­nen und dafür Sprech- und Schweigemöglichkeit­en auch im öffentlichen Raum zu schaffen.