Jugendräte als Brücke zwischen Politik und Jugend

Der Jugendrat soll das politische System ergänzen und gelebte Demokratie fördern.

Die ver­meintliche Politik(erInnen)-Verdrossenheit der Jugend ste­ht unser­er Erfahrung des gesellschaftlichen Engage­ments einiger Weniger gegenüber. Wie kön­nen wir die Beteili­gung für viele Jugendliche inter­es­sant machen und gle­ichzeit­ig eine Brücke zwis­chen dem star­ren poli­tis­chen Sys­tem und der Jugend mit ihren Anliegen bauen?

Ein Instru­ment, das sich bewährt hat, bei Erwach­se­nen die Lust zum Engage­ment zu weck­en und sich den eige­nen Hand­lungsmöglichkeit­en bewusst zu wer­den, ist der Bürg­erIn­nen­rat. Seit 2005 in Vorarl­berg erprobt, wurde er inzwis­chen über 50 Mal in ganz Öster­re­ich durchge­führt. Das noch sehr junge For­mat Jugen­drat wurde nach diesem Konzept für Jugendliche adaptiert.

Der Jugen­drat ist ein neues Instru­ment, um Jugendliche in die Gestal­tung ihres Leben­sum­feldes einzu­binden. Dabei bekom­men die Jugendlichen eine Chance ihre kreativ­en Ideen zu präsen­tieren und The­men­bere­iche aufzuzeigen, in die sie sich auch weit­er­hin ein­brin­gen wollen. Nun wur­den die ersten drei durchge­führten Jugen­dräte in Oberöster­re­ich evaluiert. Das Ergeb­nis ist ein Bericht, der einen guten Ein­blick in das Instru­ment Jugen­drat und die Erfahrun­gen mit unter­schiedlichen Abläufen des Prozess­es gibt.

Was ist ein Jugendrat?

Der Jugen­drat ist ein Par­tizipa­tions­for­mat, das es möglich macht, rasch, unkom­pliziert und kostengün­stig ‚ganz nor­male” Men­schen dafür zu gewin­nen, sich mit lokalen The­men inten­siv auf der per­sön­lichen Bewusst­seins- und Hand­lungsebene zu beschäfti­gen und in der Gruppe gemein­sam kon­struk­tive Lösun­gen zu finden.

Zu diesem Zweck wer­den per Zufall­sauswahl (aus dem Meldereg­is­ter) ca. 10–20 junge Men­schen ein­er definierten Ziel­gruppe (z.B. bes­timmte Alterss­panne, andere Kri­te­rien je nach Zielset­zung) per­sön­lich ein­ge­laden, „mitzure­den”. Die Gruppe arbeit­et für 1–2 Tage an einem The­men­feld um am Ende des Prozess­es die gemein­samen Schlüs­sel-Erken­nt­nisse in ein­er Erk­lärung zu for­mulieren. Diese wird anschließend gemein­sam als State­ment öffentlich präsen­tiert. Eine Res­o­nanz­gruppe (z.B. poli­tis­che Funk­tion­sträger, LA-21-Team, son­stige Inter­essensvertreterIn­nen, etc.) nimmt es auf und trägt es in die poli­tis­chen Entschei­dung­sprozesse weiter.

1. Das Herzstück — Dynamic Facilitation

Statt lin­earen Lösungswe­gen wird das natür­liche chao­tis­che Denken mit der Meth­ode DF unter Anleitung von zwei Prozess­be­glei­t­erIn­nen unter­stützt. Das schranken­lose Betra­cht­en eines The­mas — „out­side the box” — und viel Raum für Bauchge­fühl und Emo­tio­nen sind dafür Schlüs­selfak­toren. Sie aktivieren das volle schöpferische Poten­zial der Gruppe und führen die Gespräche zum Kern — „Worum geht es uns wirk­lich?”. Die wertschätzende und ein­dringliche Kom­mu­nika­tion im Jugen­drat lässt ein gemein­sames Bild der Sit­u­a­tion aus Sicht der Jugendlichen entste­hen. Damit entste­ht in der Gruppe ein Gemein­schafts­ge­fühl und bei der/dem Einzel­nen das Bewusst­sein, selb­st hand­lungs­fähigeR Bürg­erIn zu sein.

2. Die Zufallsauswahl

Durch die zufäl­lige Auswahl der Teil­nehmerIn­nen beste­ht gle­iche Beteili­gungschance für alle unab­hängig vom sozialen Sta­tus. Im Unter­schied zu vie­len anderen Par­tizipa­tions­for­mat­en, sind am Jugen­drat nicht nur die ohne­hin Inter­essierten oder Betrof­fe­nen beteiligt. Dadurch steigen die Diver­sität der Inter­essen, die Mei­n­ungsvielfalt und das Span­nungsniveau und ein hohes Kreativ­itätspoten­zial wird frei.

3. Das jugendliche Format

Wir möcht­en erleb­bar machen, dass poli­tis­che Beteili­gung auch Freiraum, Lust und Spaß heißt. Grup­pen­dy­namis­che Ele­mente, spielerisches Arbeit­en in der Natur und Meth­o­d­en, die alle Sinne anre­gen, bilden das Rück­grat dafür. Zudem ste­hen die Bedürfnisse der einzel­nen Teil­nehmerIn­nen im Mit­telpunkt der Prozess­gestal­tung. Die Beglei­t­erIn­nen fol­gen den Impulsen der Gruppe und lassen Raum für Spon­tan­ität. Zudem bilden das gemein­same, lustvolle Essen in den Pausen und das Feiern nach Prozessende wesentliche Bausteine des Formats.

4. Die 3‑fache Wirkung

Der Jugen­drat wirkt auf der Sach‑, Ich- und der Wir-Ebene. Mit ihm kön­nen in rel­a­tiv kurz­er Zeit kreative Durch­brüche von hoher Qual­ität erzielt wer­den. Die gener­ierten Lösun­gen beruhen auf gegen­seit­igem Ver­ständ­nis und beziehen die Infor­ma­tio­nen und Blick­winkel aller Teil­nehmenden mit ein (Sachebene). Die Teil­nehmenden erfahren Wertschätzung der eige­nen Mei­n­ung und das Gefühl, etwas bewe­gen zu kön­nen, wodurch das Gefühl der Selb­st­wirk­samkeit des Einzel­nen gestärkt wird (Ich-Ebene). Drit­tens, entwick­elt eine lose, zusam­mengewür­felte Gruppe ein Gemein­schafts­ge­fühl und Com­mit­ment zu ein­er Lösung (Wir-Ebene). Dieses ist der erste Schritt für eine hand­lungs­fähige kri­tis­che Masse, die etwas verän­dern will und kann.

Bei fol­gen­den Zie­len kann die Meth­ode Jugen­drat ein geeignetes Instru­ment darstellen:

  • The­men­radar und Lösungsideen aus jugendlich­er Perspektive
  • Aktivierung der Jugendlichen, in der Umset­zung ihrer Ideen mitzuwirken
  • kreative Lösungsideen für ein heißes Thema
  • poli­tis­che Bil­dung, Mei­n­ungs­bil­dung und Selbstermächtigung
  • Stärkung der Iden­ti­fika­tion mit dem Lebensraum
  • Möglichkeit, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen
  • Der Jugen­drat eignet sich hinge­gen auf­grund sein­er Dynamik nicht dazu, Lösun­gen zu sehr konkreten Auf­gaben­stel­lun­gen in einem eng definierten Rah­men zu finden.

Fol­gende Weit­er­en­twick­lun­gen in der Anwen­dung des For­mates Jugen­drat wer­den aus den bish­eri­gen Erfahrun­gen deutlich:

  • Gen­er­a­tio­nen über­greifende Jugen­dräte zu einem The­ma, das beson­ders Jugendliche betrifft
  • Jugen­drat für eine ganz spezielle Ziel­gruppe mit einem bren­nen­den Thema
  • Jugen­dräte an Schulen
  • Jugen­dräte, die von Jugendlichen ein­berufen werden
  • Jugen­dräte mit PolitikerInnenbeteiligung