Kreativität und Nischen: Exzellenz in der Forschung

Das Interview mit der Molekularbiologin Herta Steinkellner beim SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM 2015 in Gmunden

Her­ta Steinkell­ner beschreibt den Weg zu den Besten aus ihrer eige­nen Erfahrung als Weg mutiger Entschei­dun­gen, Lei­den­schaft und der Suche nach Nis­chen. Sie war Exper­tin beim heuri­gen SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM „From Good to Great – Der Weg zu den Besten“ in Gmunden.

Herta Steinkellner im Interview:

Wenn man sich mein Leben, meine Kar­riere als Reise vorstellt, dann steck­te kein Mas­ter­plan dahin­ter. Mein Fam­i­lien­hin­ter­grund hat­te nichts mit Wis­senschaft am Hut. In dem Dorf, in dem ich aufgewach­sen bin, gab es drei Berufe mit Hochschul­bil­dung: Lehrerin, Anwältin oder Ärztin. Ich entsch­ied mich dazu, Lehrerin zu wer­den, ging nach Wien und studierte Biolo­gie. Es hätte irgen­det­was sein kön­nen, also warum nicht Biolo­gie? Als ich studierte, hat­te ich Zeit übrig und so ver­di­ente ich mir mit ein­fachen Arbeit­en in einem human­genetis­chen Labor etwas Geld dazu. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Nischen in der Wissenschaft

Zufäl­liger­weise war in dem Labor eine Per­son, die ger­ade mit ein­er neuen Tech­nik in Öster­re­ich begann, bei der Zellen von einem men­schlichen Kör­p­er in ein­er Petrischale gezüchtet wur­den. Ich war so fasziniert davon, dass ich frei­willig an Aben­den und Woch­enen­den ins Labor ging, um die Zellen mit „Fut­ter“ zu ver­sor­gen. Plöt­zlich war ich eine der weni­gen Per­so­n­en in Öster­re­ich, die eine aufk­om­mende Tech­nik beherrschte. Ich habe nicht ein­mal gedacht, dass das schwere Arbeit ist, denn ich tat es gern. Eigentlich fühlte ich mich priv­i­legiert, dass mich jemand dafür bezahlte das zu tun, was ich liebte.

MindMap: Interview mit Herta Steinkellner (dt)
MindMap: Inter­view mit Her­ta Steinkell­ner (dt)

Als die Arbeit am Ebo­la Virus begann, war das zu ein­er Zeit, in der sich nie­mand dafür inter­essierte. Die meis­ten großen Fir­men gin­gen in die Kreb­s­forschung und es ergab keinen Sinn, damit zu konkur­ri­eren. Deshalb suchte ich nach Nis­chen. Es gab bere­its eine all­ge­meine Tech­nolo­gie, die den Trans­fer von men­schlichen Genen auf eine Pflanze ermöglichte, sodass die Pflanze ein men­schlich­es Pro­dukt erzeugte. Als ich anf­ing, daran zu arbeit­en, gab es zwei Grup­pen: Man arbeit­ete entwed­er in der Moleku­larmedi­zin oder mit Pflanzen. Ich kon­nte diese bei­den The­men miteinan­der verbinden und etwas Neues daraus formen.

„Es geht nicht darum, einen Plan von ein­er Sache zu haben. Es geht um Neugierde und Leidenschaft.”

Aber die Anwen­dung dieser Wis­senschaft funk­tion­ierte inner­halb der europäis­chen Kul­tur nicht. Es wird jede Menge Grund­la­gen­forschung in Europa gemacht. Aber die wis­senschaftlichen Erken­nt­nisse in kom­merzielle Pro­duk­te überzuführen, das ist in Europa völ­lig out. 2008, als ich mein pflanzen­basiertes Pro­duk­tion­ssys­tem auf inter­na­tionalen Kon­feren­zen präsen­tierte, fragten mich zwei US-Amerikanis­che Fir­men nach ein­er Koop­er­a­tion. Jet­zt ist eine große Pro­duk­tion vielver­sprechen­der Ebo­la-Medika­mente im Gange.

Ein­er der Gründe, warum ich diese Arbeit so liebe ist, dass sie nicht nur ein fünf-Jahres-Ziel ist. Sie geht über ein Leben­salter hin­aus. Wis­sen und Wis­senschaft wach­sen von ein­er Gen­er­a­tion zur anderen. Es liegt also eigentlich an allen.

Kreativität und Verantwortung

Teil davon, über den Weg zu den Besten nachzu­denken ist es, Bar­ri­eren zu erken­nen, die Men­schen daran hin­dern, diese Reise anzutreten. Mein­er Mei­n­ung nach hat in Öster­re­ich die Schul­bil­dung eine starke Nei­gung dazu, eines dieser Hin­dernisse zu sein. Ich würde das Bil­dungssys­tem radikal ändern und den Lehrplan um die Hälfte kürzen. Mit der freien Zeit würde ich Kinder dazu ermuti­gen, Prob­leme zu lösen, Lösun­gen zu erar­beit­en und ihre eigene Kreativ­ität zu entwick­eln und ihre Tal­ente zu entdecken.

„Wenn wir die Kinder dabei unter­stützen, ihre Fähigkeit­en zu ent­deck­en, kreative Arbeit zu leis­ten und ihr Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein zu entwick­eln, wird sich alles andere von selb­st ergeben.”

Den Men­schen muss auch erlaubt sein, zu scheit­ern. Wenn in Öster­re­ich jemand eine Fir­ma grün­det und damit scheit­ert, liegt ein lange anhal­tender neg­a­tiv­er Spir­it über der Per­son. Wenn man in den Vere­inigten Staat­en scheit­ert, gibt es mehr Möglichkeit­en, neu zu starten. Den Men­schen wird es ermöglicht, aus Fehlern zu lernen.

Wie kann Öster­re­ich von den Guten zu den Besten gelan­gen? Eine Möglichkeit ist es, wis­senschaftliche Leis­tun­gen her­auszus­tre­ichen. Wis­senschaf­terin­nen und Wis­senschafter soll­ten wie Skistars behan­delt wer­den, wenn sie gute Resul­tate erzie­len. Sie soll­ten eine Goldmedaille bekom­men und belohnt wer­den, auch finanziell, um noch bess­er zu wer­den. Ich bin tief davon überzeugt, dass Öster­re­ich das Poten­zial dazu hat, Welt­meis­ter in der Forschung zu wer­den, wenn wir densel­ben Strate­gien fol­gen, die wir für den Win­ter­sport anwenden.

Zur Person

Moleku­lar­biolo­gin Univ.-Prof. Dr.  Steinkell­ner studierte Biolo­gie und Erd­wis­senschaften an der Uni­ver­sität Wien, ehe sie zuerst als Dis­ser­tan­tin und dann als Lehrende zur BOKU Wien wech­selte. Noch während ihrer Stu­dien­zeit arbeit­ete sie im human­genetis­chen Labor des Wiener AKH, das ihre Lei­den­schaft für ihre spätere Arbeit entfachte.

2008 entwick­elte Steinkell­ner in Zusam­me­nar­beit mit weit­eren Forscherin­nen und Forsch­ern Tabakpflanzen, die men­schliche Pro­teine her­stellen. Sie kön­nen hochwirk­same Antikör­p­er entwick­eln und gel­ten als hoff­nungsvoller Ther­a­pieansatz im Kampf gegen das Ebola-Virus.

Vor allem auf­grund dieser Leis­tun­gen wurde Steinkell­ner 2014 als Öster­re­icherin des Jahres im Bere­ich Forschung nominiert. Steinkell­ner ist an ein­er Vielzahl an Pub­lika­tio­nen in Fachzeitschriften und Sam­mel­w­erken sowie an Beiträ­gen für wis­senschaftliche Ver­anstal­tun­gen beteiligt.