Nahrungsmittel: Unverträglichkeiten und Allergien

Beim zweiten Ernährungsforum Eferding wurde das Trendthema Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien behandelt.

Das Ernährungs­fo­rum Efer­d­ing, das im Okto­ber 2018 das zweite Mal im Schloss Starhem­berg in Efer­d­ing durchge­führt wurde, hat­te den Schw­er­punkt Lebensmittelunverträglichkeiten.

Wie kön­nen Allergien effek­tiv diag­nos­tiziert und behan­delt wer­den? Welche Ein­fluss- und Vor­beuge­fak­toren sind bekan­nt? Wie mit ein­er Allergie oder Intol­er­anz umge­hen? Wie gehen Lebens­mit­telin­dus­trie und ‑han­del mit der Prob­lematik um? Welche Optio­nen sind bei ein­er Ernährung­sum­stel­lung nötig oder möglich? Diese Fra­gen wur­den beim Ernährungs­fo­rum Efer­d­ing 2018 behandelt.

Warum dieses Thema?

Immer mehr Men­schen fühlen sich von Lebens­mit­te­lal­lergien und ‑intol­er­anzen betrof­fen. Kaum ein The­ma bewegt die Men­schen mehr als durch Lebens­mit­tel verur­sachte Unverträglichkeiten.

Fak­tisch lei­den jedoch „nur“ ca. zwei Prozent aller Erwach­se­nen und 6–8 Prozent aller Kinder an ein­er echt­en Nahrungsmit­te­lal­lergie, die ärztlich bestätigt ist. Der über­wiegende Teil der als „Allergie“ wahrgenomme­nen oder aus­ge­drück­ten Reak­tio­nen auf einzelne Lebens­mit­tel sind Intol­er­anzen, wovon ca. 20 Prozent der Bevölkerung betrof­fen sind.

So ergibt sich auf diesem Feld eine dop­pelte Her­aus­forderung: Ein­er­seits ste­hen Nahrungsmit­te­lal­lergik­er jeden Alters und Geschlechts vor der großen – poten­tiell lebens­bedro­hen­den – Her­aus­forderung, ihre Ernährung in allen Lebensla­gen auf ihre Allergie ein­stellen zu müssen. Sie müssen dabei von Gesellschaft, Wirtschaft und Gesund­heitssys­tem opti­mal unter­stütz wer­den. Ander­er­seits bewirkt der rel­a­tiv geringe Infor­ma­tion­s­stand bezüglich der Hin­ter­gründe und Abläufe bei Intol­er­anzen eine häu­fig über­triebene Reak­tion viel­er Menschen.

Für bei­de Grup­pen gilt jedoch: ihre Prob­leme mit manchen Lebens­mit­teln kön­nen heute durch bessere Diag­nos­tik genauer iden­ti­fiziert und behan­delt wer­den. Die Ursachen der Beschw­er­den zu ken­nen wird oft als Erle­ichterung wahrgenom­men, da durch das Ein­hal­ten ein­er Diät wieder mehr Leben­squal­ität gewon­nen wer­den kann.

Hintergründe

Im Prinzip kann jedes Nahrungsmit­tel zum Aller­gen wer­den, den­noch gibt es erfahrungs­gemäß Sub­stanzen, die unser Immun­sys­tem häu­figer als andere in den Alar­m­modus ver­set­zen. Wie kom­plex die Sit­u­a­tion bei Nahrungsal­ler­ge­nen ist, zeigt die Tat­sache, dass bei üblich­er Ernährung in 24 Stun­den etwa 120 ver­schiedene aller­gen­po­tente Nahrungs­be­standteile aufgenom­men werden.

Allergie oder Intoleranz?

Eine Allergie, die durch Nahrungsal­ler­gene aus­gelöst wer­den kann, ist eine Überempfind­lichkeit­sreak­tion des Immun­sys­tems auf son­st eigentlich harm­lose Stoffe – bes­timmte Eiweiße im Lebens­mit­tel. Der Kör­p­er bildet nach dem erst­ma­li­gen Kon­takt mit dem jew­eili­gen Aller­gen Antikör­p­er dage­gen aus: soge­nan­nte Typ E Immun­glob­u­line – kurz: IgE. Bei einem neuer­lichen Verzehr eines Lebens­mit­tels, welch­es das allergieaus­lösende Eiweiß (Anti­gen) bein­hal­tet, bekämpft der Kör­p­er das aufgenommene Anti­gen mit den zuvor gebilde­ten Antikör­pern. Dies führt zu ein­er Freiset­zung von Stof­fen, welche für die Allergiesymp­tome in unserem Kör­p­er ver­ant­wortlich sind. Zwis­chen der Sen­si­bil­isierung des Immun­sys­tems und dem Auftreten der ersten Symp­tome kön­nen jedoch mehrere Jahre verge­hen. Zu den Fol­gen dieser Über­reak­tio­nen gehören geschwol­lene Lip­pen oder Gesicht, Durch­fall, Schwellung des Kehlkopfs, Asth­ma, Atem­not, Ausschlag.

Etwa 15% der Erwach­se­nen und 25% der Kinder lei­den an irgen­dein­er Form von Allergie (z.B. Pol­lenal­lergie etc.). An reinen Nahrungsmit­te­lal­lergien lei­den „nur“ zwei Prozent aller Erwach­se­nen und 6–8% aller Kinder. Also ca. vier Prozent der Gesamtbevölkerung.
Säuglinge reagieren häu­figer auf Kuh­milch, Ei und Soja, während bei Kindern zusät­zlich Nüsse, Getrei­de und Fisch Reak­tio­nen aus­lösen kön­nen. Die häu­fig­sten Allergieaus­lös­er bei Erwach­se­nen sind vor allem Getrei­de, Ei, Fisch, Nüsse, Milch, Gewürze, Obst und Gemüse. Lebens­mit­te­lal­lergien treten bei Kindern vor allem während der ersten drei Leben­s­jahre auf und ver­schwinden meist bis zum Schulein­tritt wieder völ­lig. Allergien, die erst im Erwach­se­nenal­ter neu auftreten, ver­schwinden in aller Regel nicht mehr. Das Auftreten von Allergien kann genetisch bed­ingt sein. Sind also die Eltern bere­its betrof­fen, ist die Wahrschein­lichkeit deut­lich höher, dass auch das Kind eine Allergie entwick­eln wird. Allergien kön­nen jedoch auch im Laufe des Lebens durch Umwel­te­in­flüsse erwor­ben wer­den. Die genauen Abläufe und Zusam­men­hänge sind jedoch noch kaum erforscht.

Im Unter­schied zu Allergien tritt bei Nahrungsmit­telin­tol­er­anzen keine Reak­tion des Immun­sys­tems auf. Intol­er­anzen entste­hen durch einen ange­bore­nen oder erwor­be­nen Enzymde­fekt: z.B., weil ein­er Per­son ein bes­timmtes Enzym im Darm fehlt, wie bei der Lac­to­sein­tol­er­anz. Hier fehlt das Enzym Lac­tase, das zur Spal­tung des Milchzuck­ers notwendig ist. Sub­stanzen, die Unverträglichkeit­en her­vor­rufen kön­nen, sind unter anderem: Lac­tose, His­t­a­min oder Fructose.

Kernaussagen der Expertinnen und Experten

Von echt­en Allergien ist nur ein sehr klein­er Anteil der Bevölkerung betrof­fen. Bei Kleinkindern sind Lebens­mit­te­lal­lergien häu­figer, da Kinder teil­weise erst eine entsprechende Tol­er­anz entwick­eln müssen. Viele dieser Allergien ver­schwinden von selb­st bis ins Alter von etwa zwölf Jahren. Die häu­fig­sten Lebens­mit­te­lal­lergien bei Erwach­se­nen sind soge­nan­nte Kreuzreak­tio­nen durch eine Pol­len­staubal­lergie. Dabei ver­wech­selt das Immun­sys­tem des Kör­pers z.B. das Pol­len­staubal­ler­gen mit einem Apfe­lal­ler­gen, welch­es diesem in sein­er Struk­tur ähn­lich ist. Fol­glich reagiert der Kör­p­er auch auf das Kreuzreak­tive Nahrungsmittel.
Im Gegen­satz dazu ist das men­schliche Immun­sys­tem bei ein­er Intol­er­anz nicht beteiligt. Hier kann der Kör­p­er bes­timmte Lebens­mit­telbe­standteile – meist Eiweiße und Zuck­er­arten – in seinem Magen-Darm-Trakt nicht richtig auf­s­pal­ten und ver­dauen. Die Kon­se­quenz sind meist Blähun­gen, Durch­fall, Unwohl­sein oder Schmerzen. Intol­er­anzen treten deut­lich häu­figer in der Bevölkerung auf und wer­den oft auch als Allergien missinterpretiert.

Es gibt sehr viele Lebens­mit­tel, aber nur wenige, die prob­lema­tisch sind. – Isabel­la Pali-Schöll

Die Forschung in diesen Feldern hat in den let­zten 30 Jahren große Fortschritte gemacht. Trotz­dem sind viele ablaufende Prozesse (beson­ders bei Intol­er­anzen) noch unklar. Allergien und Intol­er­anzen haben ihre Ursachen sowohl in der Genetik, als auch in den Umwel­te­in­flüssen. Das bedeutet: sie kön­nen auch im Laufe des Lebens „erwor­ben“ wer­den. Dazu wird derzeit inter­na­tion­al inten­siv geforscht und die Zusam­men­hänge sind oft überraschend.

Die genau ärztliche Diag­nose ein­er Allergie und die möglichst genaue Def­i­n­i­tion des Aller­gens ist entschei­dend, um dem Patien­ten Klarheit über die nöti­gen weit­eren Schritte geben zu kön­nen. Alter­na­tivmedi­zinis­che Meth­o­d­en zur Diag­nose sind nach­weis­lich untauglich. Allergien und Intol­er­anzen äußern sich bei jed­er Per­son indi­vidu­ell, weshalb all­ge­meine Aus­sagen über Kon­se­quen­zen ein­er Diag­nose kaum möglich sind.

Die weni­gen Kinder, die betrof­fen sind, sind bedrohlich betrof­fen. – Zsolt Szépfalusi

Die Lebens­mit­telin­dus­trie führt umfassende Qual­ität­skon­trollen im Rah­men des Allergie­m­an­age­ments vom Anbau bis zum Super­markt durch. So gelingt es, poten­tiell für Allergik­er gefährliche Pro­duk­te in 99% der Fälle bere­its zu erken­nen und auszu­son­dern bevor sie ins Geschäft kom­men. Das übrige ein Prozent führt trotz­dem immer noch zu ca. 80–100 Pro­duk­trück­rufen in Europa. Diese gefährlichen Pro­duk­te resul­tieren üblicher­weise aus ein­er unbe­ab­sichtigten Kon­t­a­minierung mit einem nicht vorge­se­henen Stoff ent­lang der Waren­kette, der fol­glich nicht am Pro­dukt gekennze­ich­net ist.

Aller­gen-Man­age­ment in der Lebens­mit­telin­dus­trie geht vom Anbau bis zum Einkauf­swa­gen. – Roland Ernest Poms

Bei der Ernährung stellt sich die Lage eben­falls kom­plex dar. Je nach Aus­prä­gung der Allergie oder Intol­er­anz kön­nen trotz­dem viele Lebens­mit­tel verzehrt wer­den. Dies hängt von vie­len weit­eren Fak­toren ab: Zubere­itun­sgrad des Lebens­mit­tels, Menge der Ein­nahme, Zus­tand des Ver­dau­ungsap­pa­rates, all­ge­meine psy­chis­che Stim­mung usw.

Wir schließen die Lücke zwis­chen Diag­nose und Einkauf­swa­gen. – Christi­na Scharfetter

Da sich durch Erhitzung viele Aller­gene und Eiweiße zer­set­zen, hil­ft im Falle von Allergien bei vie­len Roh-Lebens­mit­teln das Kochen oder Back­en. Generell gilt der Grund­satz, dass die Lebens­mit­tel verträglich­er wer­den, desto mehr sie: geschält, zerklein­ert, gegart, geback­en, gekocht oder auf eine andere Art prozessiert sind. Als Beispiel: während der Verzehr eines Apfels für Allergik­er prob­lema­tisch ist, kann Apfel­mus oft ohne Gefahr gegessen werden.
Bei Intol­er­anzen hil­ft nur ein sich bewusstes Annäh­ern an die Lebens­mit­tel und Exper­i­men­tieren in Bezug auf die noch verträgliche Menge. Außer­dem gilt immer: Was gut für die Ver­dau­ung ist, hil­ft. Desto bess­er die Bak­te­rienkul­tur im Darm in Schwung ist, desto bess­er kön­nen die prob­lema­tis­chen Bestandteile ver­daut und die Reak­tio­nen abgemildert wer­den oder sie ent­fall­en gänzlich.

Eine tra­di­tionelle Esskul­tur kann für Allergik­er von Vorteil sein. – Karin Buchart

Die Inhalte wer­den in einem aus­führlichen Kon­ferenzbericht zum Ernährungs­fo­rum Efer­d­ing 2018 zusam­menge­fasst und ste­hen als Down­load „Bericht: Ernährungs­fo­rum Efer­d­ing 2018″ bere­it.