Nicht nur an die Pensionen denken!

Die Fol­gen der demografis­chen Entwick­lung soll­ten von den Ver­ant­wortlichen klar­er ange­sprochen und nicht beschönigt wer­den, betont Hel­mut Kramer, der sich seit Jahrzehn­ten mit den sozio-ökonomis­chen Entwick­lun­gen in Öster­re­ich beschäftigt. Als Vor­stand der Öster­re­ichis­chen Plat­tform für Inter­diszi­plinäre Alterns­fra­gen und ACADEMIA SUPE­RI­OR-Beiratsmit­glied arbeit­et er derzeit an ein­er zukun­ftsweisenden Gen­er­a­tio­nen­poli­tik für Oberösterreich.

Um diese zu real­isieren, müsste nicht nur die Pen­sion­sprob­lematik debat­tiert wer­den, son­dern auch die sich aus den demografis­chen Entwick­lun­gen ergeben­den Kon­se­quen­zen für die Jugend und das Generationen-Miteinander.

Perspektiven bis 2030

Die demografis­chen Per­spek­tiv­en Öster­re­ichs, von denen sich Oberöster­re­ich nicht wesentlich unter­schei­det, sind in den großen Lin­ien gekennze­ich­net von:

  • der zumin­d­est vor­erst weit­er steigen­der Lebenserwartung
  • dem Über­tritt außergewöhn­lich stark­er Geburt­s­jahrgänge ins tra­di­tionelle Ruhestandsalter
  • dem abnehmen­dem Umfang der nachrück­enden Jahrgänge im erwerb­s­fähi­gen Alter.

Ein großer Unsicher­heits­fak­tor in allen diesen Pro­jek­tio­nen sind die Annah­men über die Entwick­lung der Zahl der (net­to-) Immi­granten. Möglicher­weise nahm die Demogra­phie bish­er auch auf län­gere Sicht zu geringe Zahlen für neue Ein­wohner­in­nen und Ein­wohn­er an, indem sie annahm, dass die rel­a­tiv hohe Net­to-Ein­wan­derung  der let­zten Jahren ten­den­ziell wieder abnehmen werde. Im Augen­blick ist das unter dem Ein­druck der aktuellen Flüchtlingswelle sehr skep­tisch zu sehen.

Pioniere denken nicht nur an Pensionen

Oberöster­re­ich kön­nte ein Pio­nier unter den Bun­deslän­dern wer­den, wenn es jet­zt bei Fra­gen der Altersstruk­tur nicht primär nur an die Pen­sion­sprob­lematik denkt, son­dern auch die impliziten Kon­se­quen­zen für die heutige Jugend und für den Zusam­men­halt zwis­chen den Gen­er­a­tio­nen gle­ichrangig berück­sichtigt. Nur so kön­nen neue Ansätze entwick­elt und tragfähige Mod­elle für die demografis­che Per­spek­tive des Lan­des entwick­elt werden.

In der ACADEMIA SUPERIOR arbeit­en wir aktuell in Koop­er­a­tion mit anderen oö. Insti­tu­tio­nen an Vorschlä­gen für eine zeit­gemäße Gen­er­a­tio­nen­poli­tik. Ansätze dafür präsen­tierten wir im Früh­jahr in ein­er neuen Studie zur Gen­er­a­tio­nen­poli­tik in OÖ. Der Entwick­lung­sprozess geht derzeit weit­er und hat zum Ziel, dass nicht nur die Möglichkeit­en des Lan­des einge­set­zt wer­den, son­dern auch die regionalen, kom­mu­nalen und die zivilge­sellschaftlichen Ressourcen.

Gen­er­a­tio­nen­poli­tik muss sich noch stärk­er auf das Miteinan­der der Gen­er­a­tio­nen, die Inte­gra­tion auch der älteren Jahrgänge und die Ini­tia­tive der Jugend beziehen.

Wer blockiert?

In Öster­re­ich wur­den Gen­er­a­tio­nen­per­spek­tiv­en noch sehr wenig ern­sthaft als poli­tis­ches The­ma aufge­grif­f­en. Die Alterung der Bevölkerung wird ein­seit­ig als Prob­lem der Sicherung der Altersvor­sorge verstanden.

Von der Bun­desregierung kom­men zwiespältige Sig­nale: ern­sthafte Auseinan­der­set­zun­gen mit einem umfassenden Gen­er­a­tio­nenkonzept oder auch nur mit der Alterung generell, wer­den von einem Teil der Ver­ant­wortlichen als unange­bracht und beun­ruhi­gend block­iert. „Die Pen­sio­nen sind sich­er” wird plakatiert. Das ist in dieser Form sich­er nicht richtig, schon allein, weil diese Behaup­tung nichts über die Höhe der Pen­sio­nen aus­sagen. Vor allem dadurch, wer­den sin­nvolle und durch­dachte Reform­per­spek­tiv­en derzeit behindert.

Wenig­stens über einige Grundgegeben­heit­en sollte ein bre­it­er poli­tis­ch­er Kon­sens hergestellt wer­den. Diejeni­gen, die das in den Zeit­en raschen Wach­s­tums geschaf­fene Sozial­sys­tem bis auf Punkt und Kom­ma vertei­di­gen, sind in Wirk­lichkeit dessen Totengräber.

Neue Lebensentwürfe und ‑Möglichkeiten

Ober­fläch­liche Beruhi­gungsver­suche hin­dern auch daran, sich mit den sich ändern­den Lebensvorstel­lun­gen auseinan­derzuset­zen. Es ist noch nicht Teil des all­ge­meinen Bewusst­seins, dass sich zwis­chen die Leben­sphase der Voller­werb­stätigkeit und die des Ruh­e­s­tands mit stärk­eren Ein­schränkun­gen der kör­per­lichen und geisti­gen Leis­tung eine an die zwei Jahrzehnte lange Leben­sphase mit noch aus­re­ichen­der Gesund­heit geschoben hat: die Alters­gruppe der „jun­gen Alten” (siehe Hand­buch für Zukun­ft­san­gele­gen­heit­en, S. 14). Für sie soll­ten die Ein­rich­tun­gen ein­er indi­vidu­ell gestalt­baren Teil­nahme am aktiv­en Leben verbessert und angepasst werden.

Blinde Flecken erforschen

Öster­re­ich ver­fügt über eine sehr leis­tungs­fähige demografis­che Forschung, die sich um das Demografie-Insti­tut der Akademie der Wis­senschaften grup­piert. Dieses befasst sich nicht nur mit demografis­chen Fra­gen im engeren Sinn, son­dern auch mit den wech­sel­seit­i­gen Beziehun­gen zwis­chen demografis­chen Vari­ablen und wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Verän­derun­gen. (ACADEMIA SUPE­RI­OR-Beiratsmit­glied Jesús Cre­spo Cuares­ma leit­et die dor­tige Abteilung für Migra­tion and Education).

Zu wenige beachtet wer­den jedoch derzeit noch die poli­tis­chen Kon­se­quen­zen aus den wis­senschaftlichen Erken­nt­nis­sen. Schw­er zu beant­worten sind generell Migra­tionsper­spek­tiv­en, ver­schärft in jüng­ster Zeit durch die drama­tis­chen Entwick­lun­gen der Flüchtlings­frage im europäis­chen Rahmen.

Alt-werden ist nicht Schicksal

Die Art wie man altert ist nicht nur Schick­sal, son­dern auch per­sön­lich gestalt­bar. Wichtige Schritte dazu sind rechtzeit­ige Gesund­heitsvor­sorge und die innere Bere­itschaft, aktiv zu altern. Das Wis­sen über diese Tat­sache ist in bre­it­en Kreisen noch nicht angekom­men und für einen großen Teil der Bevölkerung, wird die Erken­nt­nis darüber in den näch­sten Jahren eine große Über­raschung darstellen.

Zur Person

Dr. Hel­mut Kramer ist Beiratsmit­glied von ACADEMIA SUPERIOR, Vor­stand der Öster­re­ichis­chen Plat­tform für Inter­diszi­plinäre Alterns­fra­gen und war von 1981–2005 Leit­er des Öster­re­ichis­chen Insti­tut für Wirtschafts­forschung (WIFO).

Er ist ein­er der Experten, die im Rah­men von Zukun­ft 5.0 ihre Ideen ein­brin­gen und die Zukun­ft mitgestalten.