Urban Gardening ist die Stadt der Zukunft

Mehr als 3.000 kg Gemüse und Obst, 1.000 Eier und 60 kg Honig von 400 Quadrat­meter Garten ern­ten. Geht das? Ja. Und sog­ar noch in der Stadt. Das Urban Gar­den­ing hat das Poten­zial Men­schen mit gesun­den Nahrungsmit­teln zu ver­sor­gen, nach­haltige Kreis­läufe in Gang zu set­zen und soziale Leis­tun­gen zu erbrin­gen. Es verän­dert die Lebenswel­ten der Men­schen zu einem selb­st­bes­timmten nach­halti­gen Lebensstil.

Garten­wirtschaft in der Stadt, auch Urban Gar­den­ing genan­nt, ist weit mehr als Schre­ber­garten-Idylle zur Selb­stver­sorgung. Denn anstatt Zäune zum Nach­barn zu erricht­en brin­gen Urban Gar­den­ing Pro­jek­te die Men­schen wieder zusam­men. Zusam­men find­en sich die mod­er­nen Stadt­gärt­ner zum Anbau von Gemüse und Obst, zum Pfle­gen ihrer Gärten, aber auch zum Ern­ten und Feiern. Das Prinzip der Per­makul­tur ste­ht dabei oft­mals Pate für die Meth­ode der Bewirtschaf­tung von Balkon, Ter­rasse, Park­fläche, Straßen­zug oder Freiland.

Clever werden die vorhandenen Mittel genutzt

Dabei kann schon mal ein Hochbeet aus Reis­säck­en und Holz­palet­ten entste­hen. Hüh­n­er wer­den gehal­ten (es gibt bere­its Design­er-Hüh­n­er­ställe für die Stadt­ter­rasse), Kartof­feln in Bäck­erk­isten gezo­gen. Die Bienen­fre­unde unter den Stadt­gärt­nern entwick­eln sich zu Stad­timk­ern. Und die Erträge kön­nen sich sehen lassen. Ein Beispiel aus Los Ange­les (Fam­i­lie Jules Der­vaes) zeigt: 3.000 Kilo­gramm Gemüse und Obst, 1.000 Eier und 60 Kilo­gramm Honig aus einem Garten mit ein­er Fläche von 400 Quadrat­metern rund 15 Minuten vom Stadtzen­trum ent­fer­nt — das ist möglich. Der his­torische Küchen­garten von Herrschaft­shäusern nen­nt sich im 21. Jahrhun­dert „Urban Garden”.

Ist das ein Trend, eine kuriose Randerscheinung der Wirtschaftskrise?

Beileibe nicht. Das Klimabünd­nis Oberöster­re­ich ver­fügt über einen Ansprech­part­ner für das Urban Gar­den­ing und zeigt damit die Bedeu­tung, die ihm beigemessen wird. Das Mag­is­trat in Wien geht einen Schritt weit­er und spricht vom Urban Farm­ing, fördert Pro­jek­te. München hat sich Anfang dieses Jahres per Stad­trats­beschluss eben­falls zur Förderung des Urban Gar­den­ing bekan­nt. Und die erste „ess­bare Gemeinde” Öster­re­ichs ist Übel­bach in der Steier­mark, die seit 2013 mit­ten im Ort­szen­trum einen öffentliche Per­makul­tur­garten der Bevölkerung zur Ver­fü­gung stellt. Unter­stützt vom Bürgermeister.

Anfänge des Urban Gardening im anglikanischen Raum:

Garten­pro­jek­te gibt es in New York bere­its in den 1980er Jahren, Detroit ver­sorgt sich in manchen herun­tergekomme­nen Stadt­bezirken selb­st mit Gemüse und Obst. Die Ver­sorgungsen­g­pässe mit Lebens­mit­teln ließen Havan­na (Kuba) zu einem einzi­gen großen Küchen­garten (Urban Gar­den) wer­den, die Städte Tod­mor­den und Ander­nach gel­ten als erste ess­bare Stadt Eng­lands bzw. Deutsch­lands; Min­den und Kas­sel fol­gten dem Beispiel. Selb­st das Lebens­min­is­teri­um in Wien weist dem Urban Gar­den­ing bzw. City Farm­ing ein hohes Poten­zial zu. Eine Mil­lion Ter­rassen und Balkone in Öster­re­ich wollen sin­nvoll genutzt werden.

Begriff Urban Gardening nicht einheitlich in Verwendung

Ob City Farm­ing, Urban Farm­ing oder Urban Gar­den­ing. Es geht immer um die Selb­stver­sorgung mit Obst und Gemüse mit­tels Bioland­bau und Per­makul­tur­prinzip­i­en. Denn immer mehr Men­schen fra­gen nach der Qual­ität ihrer Lebens­mit­tel. Was selb­st ange­baut und gezo­gen wurde, in das hat man Ver­trauen. Auch extern­er Druck lässt die Men­schen zur Garten­wirtschaft zurück­kehren. Dann, wenn herkömm­liche Arbeits­bi­ografien trotz oft­mals guter Aus­bil­dungswege nicht mehr funk­tion­ieren. Wir müssen uns darauf ein­stellen, dass wir im Arbeit­sleben auch Phasen ohne Arbeit haben wer­den. Der Garten hil­ft diese Zeit­en zu über­brück­en. Wir, das sind die Gen­er­a­tio­nen bis 40 Plus.

Zusät­zlich bietet das Urban Gar­den­ing noch den Effekt ein­er sozialen Leis­tung, die von ihrem volk­swirtschaftlichen Nutzen zumeist noch unter­schätzt wird. Dann näm­lich, wenn in gemein­schaftlichen Garten­pro­jek­ten Men­schen unter­schiedlich­er Herkun­ft zusam­men­find­en. Ein Stück Land bewirtschaften, so wie dies im interkul­turellen Garten in der Grot­ten­hof­s­traße in Graz („Pallaver unterm Apfel­baum”) passiert. Oder im Mut­ter Erde Garten in Graz Wet­zels­dorf. Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund stam­men oft­mals aus ländlichen Region, brin­gen ihr Erfahrungswis­sen aus dem Garten­bau ihrer Heimatlän­der mit und stellen eine gesellschaftliche Rand­gruppe dar. Beim Garteln wird Wis­sen aller Beteiligten weit­er geben. Ein Miteinan­der enste­ht, über Kul­tur­gren­zen hinweg.

Urban Gardening ist ein Stück Friedensarbeit

Wer mit dem Ziehen von eigen­em Gemüse und Obst beschäftigt ist, dabei ökol­o­gisch nach­haltige Kreis­läufe schafft und alte Sorten weit­er ver­mehrt, der hat kaum Inter­esse daran, seinen Beet-Nach­barn zu diskri­m­inieren. Weil er diesen möglicher­weise für den Bau eines Wasser­reser­voirs im Garten benötigt und mit ihm am gemein­samen Tisch sitzt, wenn die Ernte gefeiert wird. Wer seinen Balkon bepflanzt, sucht nach Gle­ich­gesin­nten und tauscht sich aus. Muss auf die Mit­men­schen zuge­hen, weil ein spezielles Wis­sen für solche Stadt­gärten notwendig ist. Wer ein­mal Andere aufs Garteln anspricht, der bleibt im Gespräch. Im Aus­tausch über Pflanzen, Meth­o­d­en, Sorten und Saatgutvielfalt. Kom­mu­nik­ta­tion entste­ht über alle Gesellschafts- und Alters­gren­zen hin­weg. Deswe­gen ist das Urban Gar­den­ing, das Gärt­nern in der Stadt, auf Balkon, Ter­rasse und öffentlichen Plätzen so wichtig. Und alles andere, als bloßer Trend. Selb­stver­sorgung aus dem eige­nen Garten, Balkon oder der Ter­rasse gehört zur Stadt des 21. Jahrhun­derts und find­et bere­its Berück­sich­tung in mod­ern­er Stadtplanung.

Zur Person

Ange­li­ka Wohof­sky studierte Geografin und Ger­man­istin. Schreibt und blog­gt als freie Jour­nal­istin und Fotografin über einen nach­halti­gen Lebensstil mit Schw­er­punkt Selb­stver­sorgung aus dem Küchen­garten. Erste Nach­haltigkeit­sjour­nal­istin in Öster­re­ich, mit PROJEKT Life nominiert zum dm.Nachhaltigkeitspreis 2010, aus­geze­ich­net als Best Prac­tise Beispiel für Nach­haltigkeit des UNEP Wup­per­tal 2011, Mit­glied in den Werk­stattge­sprächen für Nach­haltigkeit und Jour­nal­is­mus der Leuphana Uni­ver­sität Lüneb­urg seit 2013.

Küchen­garten­blog: www.blogs.stern.de/gutesausdemkuechengarten

Sim­pler Lebensstil: www.simpleleben.wordpress.com

www.wohofsky.at