Sharing Economy

Ken Lo_flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Ken Lo_flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

„Ich geh mal schnell zum Mam­mi-Kreisel und sehe dann noch beim Leih-Laden vor­bei! Kannst du bitte Büch­er vom offe­nen Bücher­re­gal mit­brin­gen und den Brief dem Bernd mit­geben? Er holt diesen um 10 Uhr ab. Beeil dich bitte, unser Gast aus Hol­land kommt am Nach­mit­tag. Die Couch muss noch bezo­gen wer­den, Handtüch­er sind schon gewaschen.”

So kön­nten wir sprechen, wenn wir Teil ein­er Share Econ­o­my sind und den eige­nen Besitz, die eige­nen Bedürfnisse ver­mark­ten (müssen). Unser All­t­ag struk­turi­ert sich in ein­er Ökonomie des Teilens gravierend um. Die Gefahr dabei: Wir kom­merzial­isieren uns.

Das gemein­schaftliche Nützen von Ressourcen entwick­elt sich seit 2005 hin zu ein­er neuen Form der Wirtschaft. Der Trend nen­nt sich: Share Econ­o­my, Ökonomie des Teilens. Eine aktuelle Studie des Got­tlieb Dut­tweil­er Insti­tutes (GDI) in St. Gallen, Schweiz, sagt, dass rund 85 Prozent der Inter­net-User dem Teilen gegenüber aufgeschlossen sind. Ressourcen, die geteilt wer­den kön­nen, sind dabei Infra­struk­turen, Soft­ware, Inhalte und Wis­sen sowie Gegen­stände. Daraus entwick­elt sich ein neues Lebens­mod­ell, das beispiel­sweise zu Clus­ter-Wohnen, Alters-Wohnge­mein­schaften oder auch gemein­schaftlichen Mobil­ität­skonzepten führt.

Über die Motive, sich dem Teilen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen, gibt die Studie keine Auskun­ft. Denn Aufgeschlossen­heit kann auch durch äußere Lebens- und Erwerb­sum­stände erzwun­gen sein.

Das GDI meint fern­er, dass sich bis 2025 ganz beson­ders unser Mobil­itätsver­hal­ten verän­dern wird. Wir wer­den zwar mobil­er, gestal­ten aber diese Mobil­ität gemein­schaftlich­er und damit effek­tiv­er. Stich­wort Scho­nung der Ressourcen durch Car-Sharing.

Wir gehen also in ein „Face­book der Dinge”, oder in ein „Shar­ing & Pool­ing”, so das GDI. Die Tech­nolo­gien dazu sind mit Inter­net, Smart­phones, Tabletts und Apps bere­its vorhanden.

Neue Spielart des Konsums

Wir teilen Arbeit­skraft, Gärten, Büch­er, Klei­dung, Wis­sen, eine Couch im Wohnz­im­mer, Autos, Haushalts­geräte und Werkzeug. Wir kaufen gemein­schaftlich Ver­sicherun­gen ein, finanzieren jour­nal­is­tis­che Pro­jek­te als Crowd, brin­gen anderen Men­schen etwas aus unserem Urlaub­sort mit, und bessern damit unser Haushalts­bud­get auf. Wir führen für andere Men­schen Pakete und Briefe in unseren Pri­vatau­tos mit, stellen diese zu oder spie­len Taxi. Wir beteili­gen uns an Land­wirtschaften mit einem Fix­be­trag, fördern damit biol­o­gis­che Lebens­mit­tel­pro­duk­tion. Tra­gen aber auch das finanzielle Risiko mit den Land­wirtIn­nen, wenn es dabei zu Ernte- und Ertragsaus­fällen kommt. Wir kaufen als Gemein­schaft Lebens­mit­tel oder Waren ein, um bessere Preise zu erzielen.

Die Unternehmens­ber­atung Prog­e­ni­um in Deutsch­land meint dazu: Der Mark­twert für Car­shar­ing wird 2017 in Deutsch­land bere­its 200 Mil­lio­nen Euro betra­gen. Ten­denz steigend. Der Grund zum geteil­ten Auto zu greifen wird von Prog­e­ni­um, neben unregelmäßiger Einkom­men der Gen­er­a­tion X und Gen­er­a­tion Y (alle ab den 1970er Jahren Gebore­nen) und steigen­den Wohnkosten in den Bal­lungsräu­men, mit einem Anstieg der Vol­lkosten für einen Pri­vat-PKW angegeben.

Wer sich den gewohn­ten Kon­sum nicht mehr leis­ten kann, begin­nt erzwun­gener­maßen zu teilen. Da lässt es sich leicht, dem The­ma gegenüber „aufgeschlossen” zu sein.

Ein Milliarden-Geschäft

Das Teilen wäre keine Form der Ökonomie, wenn der Trend nicht aus dem Mut­ter­land des Kon­sums käme. Rachel Bots­man, amerikanis­che Vor­denkerin der Share Econ­o­my, schätzt deren Mark­t­poten­zial im US-amerikanis­chen Raum auf rund 850 Mil­liar­den US-Dol­lar. Man darf dabei berück­sichti­gen, die Wirtschaft der USA wird vom pri­vat­en Kon­sum getra­gen. Nicht von Pro­duk­tion, son­dern von Kon­sum. Share Econ­o­my ver­spricht also Prof­it. Enor­men Profit.

Im Zuge dieses Trends der Share Econ­o­my wird außer Acht gelassen, dass sich die eigentlichen Prof­i­teure dieser ökonomis­chen Vari­ante auf wenige große Play­er zu konzen­tri­eren begin­nen. Denn den eige­nen Besitz für ein Zubrot teilen zu müssen, weil die Einkom­men des Mit­tel­standes seit dem Finanzcrash 2008 deut­lich sinken, nützen geschickt Pri­vatun­ternehmen wie Car Shar­ing Anbi­eter, Mit­fahrbörsen, Zustell­dien­ste, Plat­tfor­men zur Ver­mi­etung des eige­nen Gästez­im­mers, der eige­nen Couch im Wohnz­im­mer. Diese Anbi­eter und Prof­i­teure stellen die Infra­struk­tur der Share Econ­o­my oft zumeist als Start-Up Unternehmen zur Ver­fü­gung. Das „Face­book der Dinge” ken­nt nur Mark­t­poten­zial in Form von Ressourcen und Effizienz.

Steuerfreie Zone?

Dazu gesellt sich ein weit­er­er Aspekt der Ökonomie des Teilens. Wie hebt man eine Steuer ein, für ein Gästez­im­mer, das man mit­tels pri­vat­en Shar­ing-Plat­tfor­men ver­mi­etet? Und mit dessen Erlös man einen wichti­gen Teil des per­sön­lichen Haushalts­bud­gets erwirtschaftet. Was stellt der Fahrbeitrag ein­er Mit­fahrbörse finanztech­nisch dar? Ist dieser ein Einkom­men aus selb­ständi­ger Tätigkeit als Mobil­itäts­di­en­stleis­ter? Soll man hier von einem Ver­lust an Steuere­in­nah­men auf volk­swirtschaftlich­er Sicht sprechen, wenn immer mehr Men­schen ein Zubrot in der Share Econ­o­my ver­di­enen? Eine kri­tis­che Diskus­sion dazu ist ger­ade im Entste­hen. Eine dif­feren­zierte Sicht dieses ökonomis­chen Trends ist drin­gend nötig.

Mensch als Ware

Die Share Econ­o­my schafft unser Pri­vatleben ab. Wir machen uns und unseren Besitz zur Ware, wir kom­merzial­isieren uns. Wir wer­den zum zu teilen­den Ding, das man effizient nützen, benützen kann. Jed­erzeit, von jedem Ort aus online, rund um die Uhr. Wir bieten uns als Kon­sumar­tikel im öffentlichen Raum an, indem wir Briefe, Kof­fer, Tiere, Lebens­mit­tel für Andere trans­portieren oder für Fremde Urlaub­smit­bringsel einkaufen. Wir sind via Shar­ing-Plat­tfor­men an jedem Ort der Welt auffind­bar und erre­ich­bar. Wir leg­en einen Strip unseres Pri­vatlebens hin.

Dazu kommt, dass auf Shar­ing-Plat­tfor­men die Qual­ität unser­er Leis­tung, die wir dort anbi­eten, von den Kon­sumenten bew­ertet wird. Boni gibt es bere­its für pünk­tliche Zustel­lung eines Briefes oder für eine fre­undliche und sichere Fahrt von A nach B. Gar für die passend gewählte Musik oder das richtige Gespräch­s­the­ma im Auto.

Beson­ders beden­klich ist diese Begleit­er­schei­n­ung der Bew­er­tung von Teil­nehmern an der Share Econ­o­my, wenn uns unsere schwinden­den monatlichen Einkom­men zum Teilen zwin­gen. Dann wird aus dem Teilen ein kollek­tiv­er Zwang. Dann hat sich die Gesellschaft endgültig dem Kon­sum unter­wor­fen und sieht in ihren Indi­viduen zu bew­er­tende „Dinge”.

Hilfe statt ökonomischem Nutzen

Echt­es Teilen wäre Schenken. Ohne dafür Geld zu nehmen. Denn hier fehlt das Prof­it­denken, hier arbeit­et eine über­schaubare Anzahl an Men­schen aus freien Stück­en zusam­men, schenkt sich gegen­seit­ig Arbeit­skraft oder jene Zeit, um ein Gerät, einen Ort, ein Auto mit zu nützen. Im Sinn der ursprünglichen Nachbarschaftshilfe.

Echt­es Teilen wäre auch in klas­sis­chen Tauschkreisen oder bei Region­al­währun­gen gegeben. Man teilt dann das Geld untere­inan­der, wobei dieses in der Gemein­schaft bleibt, nicht eini­gen weni­gen Prof­i­teuren des Sys­tems zufließt und von diesen aus der Gemein­schaft abge­zo­gen wird. Echt­es Teilen erken­nt auch Men­schen und ihre Fähigkeit­en, ihre Tal­ente an. Es ken­nt kein Effizien­z­denken und sieht auch keinen Mark­twert in den Dat­en und Adressen ihrer Gemein­schaft. Es lässt Anteile zufließen und stellt Ressourcen gemein­sam zur Verfügung.

Die Share Econ­o­my täte gut daran einen öffentlichen kri­tis­chen Diskurs über sich selb­st zu führen. Und sich Anlei­he bei einem Öster­re­ich­er und Träger des Alter­na­tiv­en Nobel­preis­es für die Aus­rich­tung ihres Han­delns und Strebens zu nehmen. Näm­lich bei Leopold Kohr. Er meinte: „Insti­tu­tio­nen soll­ten klein bleiben, wollen sie den Men­schen nicht zerquetschen.”

Eine sich zum Mil­liar­den-Deal unre­flek­tiert entwick­el­nde Share Econ­o­my läuft näm­lich Gefahr zur Insti­tu­tion unser­er west­lichen Gesellschaft zu wer­den, insti­tu­tionellen Charak­ter zu entwick­eln. Sie läuft bere­its Gefahr, den Men­schen in seinem pri­vat­en ursprünglichen Sein mit eigen­er Größe und Effizien­zstreben zu zerquetschen.

Über die Autorin

Ange­li­ka Wohof­sky, Autorin und Fotografin, Küchengärt­ner­in. Gel­ernte Geografin und Ger­man­istin. Lei­den­schaft für nach­haltige Lebenskonzepte.

www.wohofsky.at