Zwei dicke Bände mit jeweils gut 2000 Seiten liegen auf dem Schreibtisch des Steuerrechtsexperten und neuen Beiratsmitglieds Professor Markus Achatz. Es handelt sich um eben neu erschienene Kommentare zum Umsatzsteuergesetz (4. Auflage 2011 gemeinsam mit Hans Georg Ruppe) und zum Körperschaftsteuergesetz (2011, gemeinsam mit Sabine Kirchmayr). Dabei haben die Gesetze selbst jeweils nur um die 30 Paragrafen. Dass es sich bei der Gesetzesauslegung um eine sehr lebendige Materie handelt, zeigt auch die Halbwertszeit eines solchen Kommentars, die laut Achatz bei etwa 3 bis 5 Jahren liegt.
In seinem Spezialgebiet des Steuerrechts verdeutlicht Markus Achatz die engen Verflechtungen zwischen Gesetzgebung, Politik und Wirtschaft. So beeinflusst etwa das Körperschaftsteuerrecht eines Landes maßgeblich die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft.
Ist unser Steuerrecht noch zeitgemäß?
Markus Achatz ist externer Berater der Steuerreformkommission, die sich mit der Forderung nach einer Vereinfachung und Modernisierung im Steuerrecht befasst und zur Zeit an einer Steuerstrukturreform arbeitet. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, wie hoch die Belastung des Faktors Arbeit im Vergleich zum Kapital sein kann und welche Perspektiven eine Ökologisierung des Steuersystems bietet.
Das bestehende Steuersystem begünstigt Schwarzarbeit
Auch die Modernisierung des Einkommensteuergesetzes, das aus dem Jahr 1988 stammt und seit dem über 100 mal novelliert wurde, ist längst überfällig. Achatz spricht von einer möglichen Reduzierung und Redimensionierung von Begünstigungsgruppen, um diese für eine Steuersatzsenkung zu nutzen. „Unser Steuersystem mit hohen Eingangssteuersätzen begünstigt den Trend in die Schwarzarbeit, eine sinnvollere Gestaltung würde in diesen Bereichen zu einer Reduktion der Schwarzarbeit führen”, bringt es der Experte auf den Punkt.
Überraschende Steuerabschaffungen
„Überraschungen passieren eher selten im Steuerrecht” meint Achatz. Dennoch bestätigen auch hier die Ausnahmen die Regel. Was meist unerwartet kommt, sind gänzliche Abschaffungen von Steuern, die dann auch positive Auswirkungen im Sinne einer Vereinfachung mit sich bringen. So etwa die Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungssteuer, die daraus entstand, dass es nach Aufhebung dieser Steuer durch den VfGH nicht mehr gelungen ist, sich politisch auf eine Neuregelung zu einigen. Eine Folge-Überraschung wäre freilich die Wiedereinführung dieser Steuer, die von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen abhängt und aufgrund der Schuldenbremse derzeit diskutiert wird.
Ein absoluter „Surprise Factor” für den Juristen wäre jedoch ein Durchbruch im Europäischen Steuerrecht, etwa wenn es gelänge für eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene die notwendige Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten zu erreichen.
Kein freies Kapital für die Zukunft
„Priorität sollte die Sanierung des Staatshaushaltes haben” meint Achatz in Bezug auf die wichtigen Themen unserer Zeit. „Wir sind zu sehr abhängig vom hohen Zinsendienst, womit kein freies Kapital mehr da ist für Zukunftsinvestitionen.” Dabei müssten wichtige Zukunftsinvestitionen getätigt werden, um überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. Als wichtigste Felder nennt er Forschung & Entwicklung und Bildung: „Genau in diesen Bereichen müssen Spielräume für Zukunftsinvestitionen geschaffen werden.” Diese Spielräume werden jedoch immer enger oder sind gar nicht mehr vorhanden.
„Warum hängt man unserer Jugend einen solchen Schuldenrucksack um?” fragt der Universitätsprofessor und äußert sein Unverständnis darüber, dass es bisher verabsäumt wurde, im Ausgabenbereich deutlichere Einschnitte zu machen. „Es ist schwer vorstellbar, dass es nicht gelingt, 10 bis 15 Prozent einzusparen, ohne die Qualität des öffentlichen Leistungsangebots zu gefährden”, meint Achatz. Unter anderem sollten Ineffizienzen und Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung und im Förderungswesen beseitigt werden, um das dadurch freigesetzte Kapital für Zukunftsinvestitionen zu verwenden.
Wachrütteln!
„Das politische System ist wie ein großes Tankschiff und braucht lange für eine Kursänderung” meint Achatz im Hinblick auf die Schwerfälligkeit der Entscheidungsfindung in politischen Prozessen. „Auch wenn der Eisberg noch weiter weg zu sein scheint, die Entscheidungsfindungsprozesse sind sehr komplex und das System reagiert nur sehr träge.” Zudem sei die Bereitschaft von Politikerinnen und Politikern, heiße Eisen anzugreifen, nicht überall gleich groß ausgeprägt. Daraus ergibt sich ein sehr sachtes politisches Vorgehen, das immer auch die nächste Wahl im Blickfeld hat. Dabei könne man beispielsweise in Italien beobachten, wie durch ein entschlossenes Agieren von Fachleuten notwendige Reformen rasch angegangen werden, mehr Dynamik und dadurch Freiraum entsteht. „Dabei geht es auch um die Kommunikation zwischen Politikern und dem Bürger” meint Achatz und glaubt, dass eine gesellschaftliche Akzeptanz für Veränderungen da wäre, wenn diese nur richtig kommuniziert werde.
Kreativer Austausch über Fachgrenzen hinaus unentbehrlich
Für Achatz ist ein Gedankenaustausch mit interessanten Menschen und „gscheiten Köpfen” sehr wichtig. Als Wissenschafter hat für ihn ein Kommunizieren und Interagieren über seine eigenen Fachgrenzen hinaus große Bedeutung; es erweitert und stärkt die Problemlösungskompetenzen für das eigene Fach. Als Beiratsmitglied möchte er nicht nur persönlich dazulernen und seine eigene Kreativität fördern sondern vice versa sein Wissen, seine Kreativität und Ideen im Rahmen der ACADEMIA SUPERIOR einbringen. Denn ein reger Austausch von Meinungsträgerinnen und ‑trägern insgesamt ist für die Gesellschaft unentbehrlich und fördert, über den eigenen Tellerrand zu blicken.