Standort der Zukunft: Wir können nicht weitermachen wie bisher

Die steigende Dynamik der tech­nol­o­gis­chen Inno­va­tio­nen erfordert ein Umdenken in vie­len Bere­ichen. Will eine Region in der glob­al­isierten Welt erfol­gre­ich bleiben, so muss sie auf sozio-ökonomis­che Verän­derun­gen früh reagieren und offen genug für neue Tech­nolo­gien sein, ist Joachim Haindl-Grutsch, Geschäfts­führer der Indus­triel­len­vere­ini­gung Oberöster­re­ich, überzeugt.

Visio­nen sind wichtig, will man etwas erre­ichen. Aber damit das Land auch dor­thin kommt, genügt es nicht, weit­erzu­machen wie bish­er und vom „Weit­erge­hen des erfol­gre­ichen Weges“ zu sprechen. Denn die Zeichen ste­hen derzeit eher in die ent­ge­genge­set­zte Rich­tung: Das Defiz­it und die Schulden der öffentlichen Hand erschw­eren Investi­tio­nen in Zukun­fts­felder, die Arbeits­mark­tzahlen ken­nen nur eine Entwick­lung und die Wirtschaft befind­et sich seit dem Jahr 2012 in ein­er Phase des (sehr) gerin­gen Wachstums.

Nun kann das Land nicht alle diese Bere­iche selb­st­ständig gestal­ten. Doch auch wenn man jene Bere­iche, die in die Kom­pe­tenz des Bun­des fall­en, außer Acht lässt, so bleibt noch genug übrig, um die Zukun­ft aktiv zu gestalten:

5 Punkte für die Vision „Top 10“

Die IV OÖ hat 5 The­men­bere­iche iden­ti­fiziert, denen die größte Hebel­wirkung für Oberöster­re­ichs Auf­stieg zugerech­net wer­den kann:

  1. Gesun­der Lan­deshaushalt und effizien­ter öffentlich­er Sektor
    Fort­set­zung der Ver­wal­tungsre­form und Abbau von Bürokratie für Unternehmen
    Ziel: Mit­tel für neue Investi­tio­nen in Zukun­fts­bere­iche freisetzen
  2. Beste Bil­dung in Kinder­garten und Volksschule
    Mehr Mit­tel für frühkindliche Bildung
    Ziel: her­vor­ra­gende Beherrschung der Grundschulkenntnisse
  3. Erstk­las­sige tech­nis­che Ausbildung
    Opti­mierung des Bil­dungsange­botes in tech­nis­chen Bereichen
    Ziel: mehr her­vor­ra­gende Inge­nieure und Inge­nieurin­nen, Fachar­beit­er und Facharbeiterinnen
  4. 4 Prozent Forschungsquote bis 2020
    Rasche Erhöhung des Forschungs­bud­gets des Landes
    Ziel: den Rah­men schaf­fen, um die Chan­cen der Indus­trie 4.0 nutzen zu können
  5. Her­vor­ra­gende inter­na­tionale Infrastrukturanbindungen
    Straße, Schiene, Flu­gan­bindung, Energie und Inter­net-Bre­it­band optimieren
    Ziel: Oberöster­re­ich opti­mal in die inter­na­tionalen Net­zw­erke einbinden

Am besten ist, man baut darauf auf, wo man bere­its gut ist und ver­sucht die Felder, in denen Nach­holbe­darf beste­ht, zu verbessern.

Bildung und Ausbildung – Schlüsselfaktoren der Vision

Eine Region, die im Wirtschaftssys­tem der Zukun­ft vorne dabei sein will, braucht vor allem auch gute Tech­nikerin­nen und Tech­niker. Absoluter Plus­punkt des Lan­des ist dabei die schon jet­zt erstk­las­sige Aus­bil­dung in Oberöster­re­ichs HTLs und die duale Beruf­saus­bil­dung. Doch es gibt noch Poten­zial nach oben. Die Gle­ich­w­er­tigkeit der zwei Pfade, Lehre und Gym­na­si­um, müsste stärk­er her­vorge­hoben und die Lehre attrak­tiv­er wer­den. Auch wer eine Lehre abschließt, muss eine Uni­ver­sität oder Fach­hochschule als mögliche Per­spek­tive im Kopf haben können.

Ver­gle­iche mit anderen Regio­nen (z.B. PISA-Test-Ergeb­nisse) zeigen, dass Oberöster­re­ich im Bil­dungs­bere­ich nicht gut genug abschnei­det und auch im Forschungs- und Hochschul­bere­ich Nach­holbe­darf beste­ht. Hier muss mas­siv investiert, aber auch umgedacht wer­den. Tech­nikin­ter­esse und Tal­ente soll­ten bere­its auf den ersten Bil­dungsebe­nen stärk­er gefördert wer­den und aktiv­er etwas gegen die hohe Zahl der Stu­di­en­ab­brüche (an der JKU-Linz beson­ders hoch)(2) gemacht werden.

„Man muss erkennen, dass wir in einer neuen Zeit leben“

Wir brauchen diesen Schw­er­punkt auf Forschung und Bil­dung, denn unsere Wirtschaft wird sich in den näch­sten Jahren rapi­de verän­dern. Die Geschwindigkeit der tech­nol­o­gis­chen Inno­va­tio­nen wird enorm steigen. Auf allen Ebe­nen. Die vierte indus­trielle Rev­o­lu­tion wird nicht nur die Indus­trie verän­dern. Kein Händler, kein Friseur, keine Tis­chlerei darf sich vor­ma­chen, dass sich für sie nichts ändern wird. Nicht nur der pro­duzierende, son­dern auch der Dien­stleis­tungs­bere­ich ste­ht vor großen Umwälzun­gen – her­vorgerufen durch neue Tech­nolo­gien. Haushalt­sro­bot­er oder selb­st­fahrende Autos sind hier­für nur promi­nente Beispiele – schon bald wer­den wir alle zahlre­iche Dien­stleis­tun­gen automa­tisiert genießen.

Die vier Stufen der industriellen Revolution
Die vier Stufen der indus­triellen Revolution

Man muss keine Angst haben

Diese Per­spek­tive lässt derzeit viele Men­schen um ihre Arbeit­splätze fürcht­en. Aber jede indus­trielle Rev­o­lu­tion der Ver­gan­gen­heit war auch eine Job­mas­chine. Während vor der ersten Indus­triellen Rev­o­lu­tion die große Mehrheit der Men­schen in Öster­re­ich in der Land­wirtschaft beschäftigt waren, sind es heute nur noch 2%. Die übri­gen sind aber nicht arbeit­s­los gewor­den. Im Gegen­teil: es gab noch nie so viele Beschäftigte am Arbeits­markt wie heute.

Diese Chance auf Wirtschaftswach­s­tum und mehr Beschäf­ti­gung brin­gen auch die neuen Entwick­lun­gen. Eine Region muss nur gut auf sie eingestellt sein.

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(1) Europäis­che Komis­sion: EU Region­al Com­pet­i­tive­ness Index – RCI 2013.

(2) Friedrich Schnei­der: Volk­swirtschaftliche Analyse der ent­gan­genen Wertschöp­fungs- und Beschäf­ti­gungsef­fek­te durch die Stu­di­en­ab­bruch­squote in Öster­re­ich. Linz 2015.

Zur Person

DI Dr. Joachim Haindl-Grutsch ist Geschäfts­führer der Indus­triel­len­vere­ini­gung Oberöster­re­ich. Nach seinem Maschi­nen­bau- und Wirtschafts-Studi­um in Graz, war er als Pro­jek­t­man­ag­er in der Aus­tri­an Ener­gy & Envi­ron­ment Group und in der Indus­triel­len­vere­ini­gung Steier­mark tätig. Seit dem Jahr 2006 ist der Experte für Indus­triepoli­tik Geschäfts­führer der IV OÖ.

Er ist ein­er der Experten, die im Rah­men von Zukun­ft 5.0 ihre Ideen ein­brin­gen und die Zukun­ft mitgestalten.

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