Welche Ärzte brauchen wir in Zukunft?

Als ich vor gut 15 Jahren mit mein­er ärztlichen Tätigkeit begann, schienen im öster­re­ichis­chen Gesund­heitswe­sen Dinge unmöglich, die heute zum All­t­ag gehören. Es war üblich, dass fer­tige Medi­zin­stu­den­ten auf einen Aus­bil­dungsplatz warten mussten, auch Facharzt­stellen waren nicht leicht zu ergat­tern. Die Kosten­frage wurde auch damals schon disku­tiert, genau so lange wird über Gesund­heit­sre­for­men ver­han­delt, die zum Teil auch umge­set­zt wer­den konnten.

Zurzeit ist die Sit­u­a­tion so, dass es in gewis­sen, v. a. ländlichen Regio­nen schwierig ist, offene Kasse­narzt­stellen zu beset­zen, auch in Kranke­nanstal­ten sind nicht alle Aus­bil­dungsplätze zu beset­zen, obwohl beteuert wird, dass es keinen Man­gel an Ärzten gibt, son­dern es sich nur um ein struk­turelles Prob­lem, näm­lich ein Verteilung­sprob­lem handelt.

Die flächen­deck­ende Ver­sorgung der Bevölkerung durch All­ge­mein­medi­zin­er wird in den näch­sten Jahren mit Sicher­heit immer schwieriger. Viele Kol­legIn­nen, die den Schritt in die Selb­st­ständigkeit wählen, entschei­den sich für eine Wahlarz­tor­di­na­tion. Inzwis­chen sind in Oberöster­re­ich die Wahlärzte im Ver­gle­ich zu den Kassenärzten die Mehrheit. Der Beruf des kassenärztlichen Hausarztes ist, obwohl auch hier schon Maß­nah­men zur Attrak­tivierung getrof­fen wur­den, zurzeit für viele Medi­zin­er nicht erstrebenswert.

Welche Ärzte brauchen wir nun in Zukunft?

Wün­sche und Ideen gibt es dazu ein­er­seits von der Bevölkerung, ander­er­seits auch von Seit­en der Ärzteschaft. Als Arzt wün­sche ich mir angenehme und flex­i­ble Arbeit­szeit­en, eine ordentliche Ent­loh­nung, und die Möglichkeit frei zu wählen, welche Ther­a­pie für meine Patien­ten angezeigt und sin­nvoll ist.

Unab­hängig vom beste­hen­den Kassen­sys­tem hat sich in Öster­re­ich in den let­zten Jahren ein Sys­tem von selb­st entwick­elt, das von einem Teil der Ärzteschaft, namentlich den Wahlärzten und der Bevölkerung gewün­scht und getra­gen wird. Hier find­et man im Ver­gle­ich zum star­ren Sys­tem der Kassen­medi­zin eine Vielfalt und Frei­heit im Ange­bot der medi­zinis­chen Leis­tun­gen, was für die Patien­ten zu ein­er größeren Vielfalt und Frei­heit in der Ther­a­piewahl führt.

Als Homöopath möchte ich mich in dieser Diskus­sion auf die Kom­ple­men­tärmedi­zin konzen­tri­eren. Vielle­icht sollte man in die Über­legun­gen zur Attrak­tivierung des Beruf­s­tandes des All­ge­mein­medi­zin­ers auch die Kom­ple­men­tärmedi­zin einbeziehen.

Komplementärmedizin bei Bevölkerung und Ärzten beliebt

Von vie­len als Wahlärzten aktiv­en Kol­legIn­nen wer­den kom­ple­men­tärmedi­zinis­che Ther­a­piev­er­fahren angewen­det. In der Bevölkerung ist die Kom­ple­men­tärmedi­zin beliebt, sie wird gewün­scht. Ger­ade was die Homöopathie bet­rifft, möchte ich auf die regelmäßig durchge­führten GfK-Umfra­gen (vgl. Homöopathie in Öster­re­ich GfK, 2015; Auf­tragge­ber Dr. Pei­th­n­er KG; Grundge­samtheit 2.000 Per­so­n­en ab 15 Jahren) hin­weisen, aus denen her­vor geht, dass zwei Drit­tel der öster­re­ichis­chen Bevölkerung homöopathis­che Arzneien ver­wen­den und diese großes Ver­trauen in die Leis­tung der Homöopathie und die homöopathisch täti­gen Ärzte haben.

Die Homöopathie ist unter den Stu­dentIn­nen beliebt. Seit vie­len Jahren gibt es an der Medi­zinis­chen Uni­ver­sität Wien (MUW) das „Wahlfach Homöopathie” (Leitung: ao. Univ. Prof. Dr. Michael Frass), das mit 100 — 140 Stu­den­ten pro Jahr zu den am besten besucht­en Wahlfäch­ern der MUW gehört.

Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Keplerklinik in Linz

Bish­er wur­den im Medi­zin­studi­um die All­ge­mein­medi­zin und die Kom­ple­men­tärmedi­zin ver­nach­läs­sigt, so kön­nte z. B. ein Lehrstuhl für All­ge­mein­medi­zin und eine Inte­gra­tion der Kom­ple­men­tärmedi­zin in dem geplanten Insti­tut für Ver­sorgungs­forschung an der neuen Medi­zinis­chen Fakultät der JKU in Linz diese Lücke schließen. Hier würde die ange­hende Kol­le­gen­schaft in diesem Bere­ich ordentlich aus­ge­bildet, ander­er­seits kön­nte im Bere­ich der Kom­ple­men­tärmedi­zin, was drin­gend nötig ist, geforscht wer­den. Nur durch Wis­sensver­mit­tlung in einem Fachge­bi­et kann man sich ein Bild machen und die Erken­nt­nisse in die spätere spez­i­fis­che Beruf­swahl miteinbeziehen.

Komplementärmedizin kann Kosten senken

Die Kosten- und Finanzierungs­frage prägt zu einem großen Teil die Diskus­sio­nen über unser Gesund­heitssys­tem. Ger­ade was die Kosten­frage bet­rifft, kön­nen kom­ple­men­tärmedi­zinis­che Behand­lungsver­fahren dem Gesund­heitssys­tem Kosten sparen. Dafür gibt es inzwis­chen genü­gend Dat­en. Ich möchte die Schweiz­er PEK-Studie erwäh­nen, die zeigte, dass die kom­ple­men­tärmedi­zis­chen Ther­a­pi­en im Ver­gle­ich zur kon­ven­tionellen Medi­zin im über­prüften Zeitraum bil­liger waren.

Als Beispiel soll hier noch die nieder­ländis­che Studie von Koore­man et al, die im Euro­pean Jour­nal of Health Eco­nom­ics pub­liziert wurde, erwäh­nt wer­den. Auf der Basis von Daten­sätzen nieder­ländis­ch­er Kranken­ver­sicher­er wurde ermit­telt, dass Pati­entIn­nen, die durch einen Hausarzt mit kom­ple­men­tär­er Zusatzaus­bil­dung betreut wer­den, weniger Kosten verur­sachen und sich gle­ichzeit­ig ein­er höheren Lebenser­wartung erfreuen. Hier ist im Beson­deren die Homöopathie hervorzuheben.

Bei der Schweiz­er PEK-Studie und der nieder­ländis­chen Studie war die Homöopathie die kostengün­stig­ste kom­ple­men­tärmedi­zinis­che Behand­lungsmeth­ode.  Bei der Studie von Koore­man lagen die Kosten für die homöopathisch betreuten Pati­entIn­nen im Durch­schnitt 15% unter jenen der kon­ven­tionell betreuten Pati­entIn­nen. Beson­ders auf­fäl­lig war die Kosten­erspar­nis für Medika­mente (bis zu minus 33 %) und für Kranken­hausaufen­thalte (bis zu minus 38 %).

Homöopathie in Deutschland und Schweiz anerkannt

Eine Inte­gra­tion der Homöopathie wurde von unseren Nach­bar­län­dern in unter­schiedlich­er Weise bere­its vol­l­zo­gen. Eine Kat­e­gorisierung der WHO ist dies­bezüglich sehr hil­fre­ich. Die WHO beschreibt drei ver­schiedene Grade, inwieweit Kom­ple­men­tärmedi­zin (Homöopathie) in das nationale Gesund­heitssys­tem inte­gri­ert sein kann:

  • Inte­gra­tives Sys­tem: Homöopathie ist offiziell anerkan­nt und in alle Gesund­heits­bere­iche inko­r­pori­ert (z.B. Indi­en; Schweiz)
  • Inklu­sives Sys­tem: Homöopathie ist anerkan­nt, aber noch nicht in jed­er Hin­sicht inte­gri­ert (Deutsch­land, Ital­ien, Großbritannien)
  • Tol­er­antes Sys­tem: das nationale Gesund­heitssys­tem basiert grund­sät­zlich auf kon­ven­tioneller Medi­zin, aber einige kom­ple­men­tärmedi­zinis­che Meth­o­d­en wer­den per Gesetz toleriert (Öster­re­ich)

Man kann die Gesund­heitssys­teme in unseren Nach­bar­län­dern, der Schweiz und Deutsch­land natür­lich nicht mit dem öster­re­ichis­chen Gesund­heitswe­sen ver­gle­ichen, alle drei sind unter­schiedlich aufge­baut. Jedoch wer­den in bei­den Län­dern die Kosten für die homöopathis­che Behand­lung über­nom­men. In Deutsch­land wird die Homöopathie von einem Großteil der Krankenkassen über­nom­men; dort beste­ht im Gegen­satz zu unserem Sys­tem der Pflichtver­sicherung die freie Wahl der Bürg­er, sich verpflich­t­end bei einem der Anbi­eter zu versichern.

Mit ein­er besseren Inte­gra­tion der Kom­ple­men­tärmedi­zin in das öster­re­ichis­che Gesund­heitswe­sen würde man dem Wun­sch der Bevölkerung nachkommen.

Die „Inte­gra­tive Medi­zin“ ist somit eine neue Form der medi­zinis­chen Prax­is, die die Arzt-Patien­ten-Beziehung her­vorhebt, den Patien­ten ganzheitlich sieht und die das Beste aus der soge­nan­nten Schul­medi­zin und den erprobten kom­ple­men­tärmedi­zinis­chen Meth­o­d­en zu vere­inen versucht.

Gesund­heitssys­teme soll­ten fol­gende Ziele ver­fol­gen: Patien­ten­zen­tri­ertheit, Gefahrlosigkeit der Behand­lung bzw. der Medi­z­in­pro­duk­te, schnelle und wirk­same Behand­lung, Wirtschaftlichkeit und Zugang für Alle.

Mit der Homöopathie ist dies möglich, sie ste­ht im Dien­ste ein­er patien­tenori­en­tierten, sicheren, wirk­samen, wirtschaftlichen und gerecht­en medi­zinis­chen Ver­sorgung für alle Men­schen in Österreich.

Zum Autor

Dr. Bern­hard Zauner, Arzt für All­ge­mein­medi­zin mit dem Ärztekam­merdiplom für Homöopathie; Vizepräsi­dent der Ärztege­sellschaft für klas­sis­che Homöopathie (ÄKH)

Lit­er­atur beim Verfasser

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