Im Zuge des Pro­gramms W³ — Wirtschaft.Wissen.Wachstum — Eine Wirtschaft­spoli­tis­che Refor­ma­gen­da für Oberöster­re­ich set­zt sich der Think Tank ACADEMIA SUPERIOR seit über zwei Jahren inten­siv mit Schlüs­selthe­men für den Wirtschafts­stan­dort Oberöster­re­ich auseinan­der. In Koop­er­a­tion mit der Indus­triel­len­vere­ini­gung Oberöster­re­ich wurde ein Schw­er­punkt auf „Leit­be­triebe und Head­quar­ters” gelegt, welche als „Zugpferde” in Hin­blick auf Beschäf­ti­gung, Wertschöp­fung und Forschung in Oberöster­re­ich gelten.

Hierzu wurde in engem Aus­tausch mit Vertreterin­nen und Vertretern von oö. Leit­be­trieben und Exper­tin­nen und Experten ein „Aktion­s­plan für Leit­be­triebe und Head­quar­ters in Oberöster­re­ich” mit einem konkreten 12-Punk­te-Plan erstellt und präsentiert.

  1. Regionales Bewusst­sein für die bedeu­tung von Leit­be­trieben heben
  2. Oberöster­re­ich als Stan­dort für Kom­pe­tenzzen­tren und Head­quar­ter-Funk­tio­nen positionieren
  3. Leit­be­triebe in wirtschafts- und inno­va­tion­spoli­tis­chen Pro­gram­men verankern
  4. Poten­ziale zum Aus­bau der Head­quar­ter-Funk­tio­nen in Oberöster­re­ich analysieren
  5. Gezielte Aktiv­itäten zur Ansied­lung neuer Head­quar­ter-Funk­tio­nen setzen
  6. Exzel­lente Rah­menbe­din­gun­gen für inter­na­tionale Spitzenkräfte anbieten
  7. FFG-Anschlussförderung des Lan­des auf The­ma­tis­che Pro­gramme ausweiten
  8. Wertschöp­fungs- / Inno­va­tions­ket­ten durch erweit­erte Clus­ter­förderung stärken
  9. Inter­na­tionale Net­zw­erke der Leit­be­triebe in F&E und Inno­va­tion fördern
  10. Key Account-Ser­vices für Leit­be­triebe durch Inter­mediäre anbieten
  11. Beste­hende Förderun­gen für strate­gis­che Investi­tion­spro­jek­te bündeln
  12. „Oö. Gazellen” mit Leit­be­triebe-Poten­zial servicieren

The­men mit beson­der­er Rel­e­vanz für Leit­be­triebe und Head­quar­ters wer­den in Form von Dialogge­sprächen disku­tiert und dabei Anre­gun­gen für die Poli­tik festgehalten.

„Herausforderungen für die Arbeitswelt von morgen: Schlüsselkräfte, Flexibilisierung und Qualifikation” erstes Dialoggespräch am 23. Oktober 2013

„Für die Wet­tbe­werb­s­fähigkeit oberöster­re­ichis­ch­er Unternehmen ist die Frage zen­tral, wie wir an die Schlüs­selkräfte von mor­gen — für die Indus­trie 4.0 — kommen.”
Dr. Axel Greiner

Dr. Her­mann Deutsch vom Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit, Soziales und Kon­sumenten­schutz berichtete ein­gangs über die 2011 einge­führte „Rot-Weiß-Rot-Karte” als Instru­ment der kri­te­rien­be­zo­ge­nen Zuwan­derung (siehe rechts Grafik 1: Man­gel­berufe 2013). Knapp 6.000 Anträge wur­den bis­lang gestellt, davon 4.200 bewil­ligt. 629 aus­ländis­che Schlüs­selkräfte aus Drittstaat­en (Nicht-EU-Staat­en) kon­nten mit der Rot-Weiß-Rot-Karte nach Oberöster­re­ich geholt wer­den (siehe rechts Grafik 2: Herkun­ft­slän­der der RWR-Karten Inhab­erIn­nen). Der Beschäf­ti­gungszuwachs der let­zten Jahre geht in Öster­re­ich aber zu einem hohen Anteil auf Bürg­erIn­nen aus den neuen EU-Staat­en zurück, wobei Miss­bräuche des Sozial­sys­tems durch Bürg­er aus anderen EU-Staat­en bis dato nicht fest­gestellt wur­den. Er ver­wies außer­dem auf die neue Möglichkeit, dass nun die Arbeit­ge­ber in Öster­re­ich einen Antrag auf die Rot-Weiß-Rot-Karte für poten­tielle Arbeit­nehmer stellen können.

„Die Zuwan­derung ist jet­zt auf Dauer aus­gelegt und wir ver­suchen diese zu steuern. Aber wir befind­en uns schlicht in Konkur­renz mit anderen Län­dern, die ähn­liche Mod­elle haben.”
Dr. Her­mann Deutsch

Die Lan­des­geschäfts­führerin des Arbeits­mark­t­ser­vice Oberöster­re­ich, Bir­git Ger­stor­fer, klärte in ihrem Impulsstate­ment über die Verän­derun­gen am Arbeits­markt vor dem Hin­ter­grund des demografis­chen Wan­dels (siehe rechts Grafik 3: Demografie — Aus­blick 2030) und die Aktiv­itäten des AMS zur Qual­i­fizierung von Jugendlichen und Erwach­se­nen auf.

„Nur im oberöster­re­ichis­chen Zen­tral­raum ist bis 2030 mit einem
Zuwachs des Erwerb­spo­ten­tials zu rechnen.”
Bir­git Gerstorfer

Im Jahr 2013 waren bis­lang 30.000 Oberöstere­icherIn­nen neu in Schu­lun­gen einge­treten, wobei im Gegen­satz zu früher mehr langfristige Schu­lun­gen, die mit ein­er sub­stanziellen Höherqual­i­fika­tion abgeschlossen wer­den, durchge­führt wur­den. Cir­ca 110.000 ver­schiedene Per­so­n­en besuchen ein­mal pro Jahr eine AMS-Geschäftsstelle — d.h. jeder/jede Sech­ste auf dem oö. Arbeits­markt ist ein­mal im Jahr arbeit­s­los. Da die Mehrheit dieser Per­so­n­en nur über eine geringe Beruf­squal­i­fika­tion ver­fü­gen, gibt es hier ein großes Poten­tial für die Zukun­ft (siehe rechts Grafik 4: Bil­dungsniveau der Erwerb­s­bevölkerung in OÖ).

„Unser Kerngeschäft ist es, Men­schen mit grundle­gen­der Aus­bil­dung zu versorgen!”
Bir­git Gerstorfer

Bedarfe und Anregungen von oö. Leitbetrieben

Fol­gende Aspek­te wur­den in ein­er inten­siv­en Diskus­sion der teil­nehmenden Vert­er­t­erinnnen und Vertreter heimis­ch­er Leit­be­triebe angesprochen:

- Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit:

Neben dem Ein­gleit­en muss es auch ein koor­diniertes Aus­gleit­en aus dem Erwerb­sleben geben. Die derzeit­i­gen Pen­sion­sregelun­gen sind für ältere Mitar­beit­er nicht attrak­tiv genug, um länger zu arbeit­en, da sie oft um Kürzun­gen ihrer Pen­sions­bezüge fürcht­en. Kor­ri­dor­lö­sun­gen, die einen schrit­tweisen Ausstieg aus dem Erwerb­sleben vorse­hen, sind die Zukun­ft und im arbeits­mark­t­poli­tis­chen Pro­gramm des Lan­des für die näch­sten Jahre als eine der zen­tralen Säulen vorgesehen.

„Es kann sich ein Stan­dort nicht leis­ten, erfahrene Men­schen, die gerne arbeit­en wür­den, zum Nicht­stun zu verdonnern!”
aus der Diskussion

Trotz­dem muss noch ein Modus gefun­den wer­den, wie Men­schen, die am Ende ihres Erwerb­szyk­lus ste­hen, nicht abrupt zu 100 Prozent in Pen­sion gehen, bzw. wie Per­so­n­en mit Inva­lid­ität­spen­sio­nen wieder in die Beruf­swelt inte­gri­ert wer­den kön­nen. Dieser Bere­ich soll ab dem näch­sten Jahr mit dem neuen Sys­tem für Inva­lid­ität­spen­sio­nen — Stich­wort: Reha statt Pen­sion — grundle­gende Verän­derun­gen erfahren.

Die geset­zlichen Rah­menbe­din­gun­gen in Bezug auf die Arbeit­szeit­en müssen so gestal­tet sein, dass auf inter­na­tion­al wet­tbe­werb­s­fähigem Niveau gear­beit­et wer­den kann. Derzeit bre­it­et sich eine ver­stärk­te „Kul­tur von Kon­trolle, Mis­strauen und Demo­tivierung” aus, die zu unnötiger Bürokratie führt, was nicht der Weg in die Zukun­ft sein kann.

- Rekrutierung von heimischen und internationalen Schlüsselkräften:

Das Poten­zial an Mitar­beit­ern für tech­nis­che Berufe muss ziel­gerichtet erschlossen wer­den. Daher gilt es, in der Schule und im vorschulis­chen Bere­ich Inter­esse an Tech­nik zu fördern. Die Päd­a­gogen sind hier­bei einzubeziehen. Nicht zu unter­schätzen ist auch die Rolle der Eltern in der Beruf­swahl. Konkret angeregt wurde, die bere­its beste­hen­den Aktiv­itäten im Bere­ich Tech­nikin­ter­esse bzw. an der Schnittstelle Schule-Beruf, wie durch die Ini­tia­tive Jugend in die Tech­nik auch bere­its geschehen, noch stärk­er zu bün­deln und mehr Durch­läs­sigkeit zwis­chen den Sphären der Bil­dung und der Wirtschaft zu fördern. Ein Pro­jekt in diese Rich­tung ist die Ini­tia­tive gen­er­a­tion inno­va­tion von BMVIT und FFG, welche, vom Kinder­garten bis zum Schu­la­b­schluss, Tech­nikin­ter­esse auf­bauen soll und dafür Prak­ti­ka für Schü­lerin­nen und Schüler vergibt, sowie die regionale Koop­er­a­tion Schulen-Unternehmen fördert.

„Man muss bis auf den vorschulis­chen Bere­ich gehen, um die Affinität bei Kindern zu tech­nis­chen Berufen zu wecken.”
LR Dr. Michael Strugl

Hingewiesen wurde auf die Ini­tia­tive der WKO Freis­tadt: Forum Schule & Wirtschaft, als möglich­es Mod­ell für andere Regio­nen, sowie auf Pro­jek­te wie die Pow­er-Girls, den Girls’ Day oder die Tech­nik-Ral­lyes. Den­noch wer­den in diesem Bere­ich noch mehr Mit­tel benötigt, um der­ar­tige Pro­gramme auszubauen. Das bessere Abstim­men der bere­its beste­hen­den Instru­mente des Jugend­coach­ings und des Job­coach­ings wäre fern­er ein Schritt in die richtige Richtung.

„Es geht darum, einen Par­a­dig­men­wech­sel in der Arbeits­mark­t­poli­tik her­beizuführen — weg von Reparatur und hin zu Prävention.”
DI Dr. Joachim Haindl-Grutsch

Die Unternehmen unter­stre­ichen ihre eigene Ver­ant­wor­tung, dabei mitzuwirken und ihre Tore für Schü­lerIn­nen und LehrerIn­nen zu öff­nen bzw. selb­st ihre Betriebe in Schulen vorzustellen.

Inter­na­tionale Schlüs­selkräfte müssen nicht nur nach Oberöster­re­ich geholt, son­dern vor allem auch hier gehal­ten wer­den. Daher gilt es, die Rah­menbe­din­gun­gen für aus­ländis­che Kräfte im Land zu verbessern und diese aktiv in die oberöster­re­ichis­che Gesellschaft zu inte­gri­eren. Die Anstren­gun­gen, die im Innvier­tel in dieser Hin­sicht unter­nom­men wer­den, kön­nen als Beispiel für andere Regio­nen dienen. Ger­ade die „High Poten­tials” kön­nen sich vielfach das Land bzw. die Region aus­suchen, in der sie leben und arbeit­en möcht­en — hier hat Oberöster­re­ich Aufholbedarf.

Qualifikation von heimischen Arbeitskräften:

Die Verän­derun­gen in den indus­triellen Prozessen — Stich­wort „Indus­trie 4.0” — erfordern neue Kom­pe­ten­zen und Fer­tigkeit­en. Dies gilt es in den Aus- und Weit­er-bil­dungsange­boten entsprechend zu berück­sichti­gen, um den Indus­tri­e­s­tandort Ober-öster­re­ich langfristig zu stärken.

Poten­ziale von weit­eren „stillen Reser­ven” wie etwa den Teilzeitbeschäftigten müssen bess­er genutzt wer­den. Wichtig ist dafür eine enge Kom­mu­nika­tion zwis­chen den Be-trieben und dem AMS, damit regions- und branchen­spez­i­fisch bedarf­sori­en­tierte Aus- und Weit­er­bil­dun­gen ange­boten wer­den kön­nen. Die Strate­gie „Arbeit­splatz Oberöster­re­ich 2020” des Lan­des weist dafür den Weg.

Darüber hin­aus wurde angeregt, dass die IV und WKO die heimis­chen Unternehmen ver­stärkt darauf hin­weisen kön­nten, mehr in inner­be­triebliche Qual­i­fika­tion­s­maß­nah­men zu investieren.

Resümee und Ausblick

Die Ver­anstal­ter Lan­desrat Dr. Michael Strugl für die ACADEMIA SUPERIOR und Dr. Axel Grein­er für die Indus­triel­len­vere­ini­gung Oberöster­re­ich, dank­ten den UnternehmerIn­nen für die aktive Teil­nahme. Die Frage, wie Oberöster­re­ich zu den Schlüs­selkräften von mor­gen kommt, ist und bleibt zen­tral. Die Diskus­sion brachte zahlre­iche Anre­gun­gen her­vor, die nun aufgear­beit­et und nach Möglichkeit in die entsprechen­den poli­tis­chen Pro­gramme und Ini­tia­tiv­en ein­fließen wer­den. Die Basis dafür wurde bere­its mit der Erstel­lung des „12-Punk­te-Plans für Leit­be­triebe und Head­quar­ters” getätigt. Nun gilt es, weit­ere Schritte in Rich­tung Ver­tiefung und Umset­zung zu set­zen. Hier ver­wies Lan­desrat Dr. Michael Strugl auf das neue Strate­gis­che Wirtschafts- und Forschung­spro­gramm „Inno­v­a­tives Oberöster­re­ich 2020”.

Die Zusam­me­nar­beit von ACADEMIA SUPERIOR und Indus­triel­len­vere­ini­gung Oberöster­re­ich wird mit dem näch­sten Dialogge­spräch am 5. Feb­ru­ar 2014 zum The­ma „Head­quar­ter-Stan­dort Oberöster­re­ich” fort­ge­set­zt.