Zu dem pro­vokan­ten The­ma „Wohl­stand ohne Arbeit” disku­tierten bei einem Kaminge­spräch im Rah­men des Europäis­chen Forum Alp­bach am 21. August Univ.-Prof. Dr. Bernd Marin, Sozial­wis­senschafter und Exec­u­tive Direc­tor des Europäis­chen Zen­trums für Wohlfahrt­spoli­tik und Sozial­forschung, und Univ.-Prof. Dr. Wolf­gang Mazal, stv. Vor­stand des Insti­tuts für Arbeits- und Sozial­recht der Uni­ver­sität Wien und ACADEMIA SUPERIOR Beiratsmit­glied. In Zusam­me­nar­beit mit dem Club Alp­bach OÖ, ein­er Gruppe junger, engagiert­er Oberöster­re­ichis­ch­er Stu­dentIn­nen und Stipen­di­atIn­nen des Forums, kam ein belebter und beleben­der Diskus­sion­s­abend zus­tande, dem sowohl namhafte Vertreterin­nen und Vertreter der Oberöster­re­ichis­chen Poli­tik, Wirtschaft und Wis­senschaft, als auch junge Studierende aus unter­schiedlichen Län­dern beiwohnten.

Arbeit ist ein zen­trales Charak­ter­is­tikum der mod­er­nen Gesellschaft. Angesichts der sich ändern­den Leben­sum­stände, sich ändern­der Arbeits­be­din­gun­gen und ‑anforderun­gen, län­ger­er Aus­bil­dungszeit­en und ein­er stets steigen­den Lebenser­wartung, drängt sich die Frage auf, ob und wie Wohl­stand und Arbeit in einem sozial­staatlichen Gefüge zusam­men­hän­gen und welche Entwick­lun­gen und Her­aus­forderun­gen uns hier bevorste­hen. Die Posi­tio­nen der bei­den Disku­tan­ten kon­nten dabei unter­schiedlich­er nicht sein.

Das Missverhältnis besteht nicht zwischen alt und jung sondern zwischen aktiv (beitragend) und inaktiv (empfangend)

Prof. Marin stellte pro­vokant die Frage, welchen Wert Arbeit für die Gesellschaft heutzu­tage hat und ob die sozial­staatlichen Leis­tun­gen, die an einen immer klein­er wer­den­den Anteil von Erwerb­sar­beit geknüpft sind, über­haupt noch finanzier­bar sind. So plädiert er für eine Neuerfind­ung des Sys­tems, in dem nicht mehr nach jung oder alt son­dern nach aktiv/arbeitend/beitragend/produktiv oder inak­tiv/nicht-arbei­t­end/ab­hängig unter­schieden wird. Denn, so Marin, die Mehrheit der Bevölkerung gehört nicht mehr der „Erwerb­sklasse” an son­dern der „Ver­sorgungsklasse” (nach Karl Ren­ner), sodass über das Leben gerech­net ein weit größer­er Teil als abhängige® Ver­sorgungsempfän­gerIn und nicht als beitra­gende® Erwerb­stätige® geführt wird. In einem Beispiel führt Marin vor, dass eine in Öster­re­ich lebende Per­son durch­schnit­tlich 25 Jahre Pen­sion in Anspruch nimmt und 22 Jahre lang in Aus­bil­dung ist (bzw. arbeit­s­los und arbeitssuchend oder nicht erwerb­stätig, bei den Kindern, etc.), im Gegen­satz dazu jedoch im Durch­schnitt nur 31 Jahre Beiträge leis­tet. Sein Faz­it: Mit so wenig Arbeit ist das Sys­tem nicht länger finanzier­bar. (Bei dieser Gele­gen­heit sei auch ver­wiesen auf das im Juni 2013 bei Ash­gate erschienene Buch von Prof. Marin: Wel­fare in an Idel Soci­ety: rein­vent­ing Retire­ment, Work, Wealth, Health and Welfare)

Der Arbeitsbegriff ist zu eng gefasst

Ganz anders der Ansatz von Prof. Mazal, der den Begriff und die Begrif­flichkeit von „Arbeit” in Frage stellt: Vielfach wird Ent­loh­nung als Aus­gle­ich für das Arbeit­sleid oder den geleis­teten Arbeitswert ange­se­hen. Die Müh­sal der Arbeit spiegelt sich auch in Beze­ich­nun­gen wie „Trauer­ar­beit” oder „Beziehungsar­beit” wider. Mazal betont, dass der Arbeits­be­griff, wie er derzeit in der Ökonomie ver­bre­it­et ist, viel zu eng gefasst wird und betont, wie viele For­men der tat­säch­lich geleis­teten Arbeit in der Ökonomie nicht auf­scheinen. So sind wesentliche Para­me­ter des Wohl­standes darauf begrün­det, dass Men­schen arbeit­en ver­richt­en, die nicht finanziell abge­golten wer­den und nicht „bepreist” sind. „Wir haben eine Gesellschaft, wo enorm viel Arbeit geleis­tet wird”, ist Mazal überzeugt, doch viel davon wird nicht gese­hen oder nicht gew­ertet, da sie ökonomisch nicht bew­ert­bar ist oder auf­scheint. Geprägt von einem Arbeits­be­griff, der sich nur in Ent­loh­nung nieder­schlägt, gibt Mazal zu bedenken, dass dadurch die Wer­tigkeit falsch liegt. Ein weit­er­er sich abze­ich­nen­der Trend ist die Umschich­tung von bish­er unbezahlter Arbeit (wie etwa die Kranken- oder Altenpflege zu Hause) in eine bezahlte Tätigkeit, die so zu neuen Erwerb­s­for­men führt. So geht es dem Arbeit­srechtler darum zu hin­ter­fra­gen, was wir als Arbeit anerken­nen, und die gesellschaftliche Wertschöp­fung langer Aus­bil­dungszeit­en und für die Gesellschaft wichtiger Ver­rich­tun­gen (wie etwa Kun­st und Kul­tur) auch ökonomisch und am Wohl­stand gemessen bess­er abzubilden.

Die durch­wegs kon­tro­vers disku­tierten Stand­punk­te der bei­den Experten zeigen ein­mal mehr, dass es sich bei der Frage der Zukun­ft der Arbeit und der Sicherung des Wohl­standes um eine der größten Her­aus­forderun­gen für die Zukun­ft handelt.