Am Tag der OÖ Lebens­mit­tel 2016 wurde über die Zukun­ft der heimis­chen Lebens­mit­tel­branche diskutiert.

Regional – global – oder egal?

Oberöster­re­ich stellt die Lebens­mit­telver­sorgung für 2,3 Mio. Men­schen sich­er. Mehr als 100.000 Men­schen find­en in der oberöster­re­ichis­chen Lebens­mit­tel­wirtschaft – in land­wirtschaftlichen Betrieben, im Han­del, im Lebens­mit­tel­gewerbe und in der ‑indus­trie – eine Beschäf­ti­gung. Fast jed­er sech­ste Erwerb­stätige ist in und um die Lebens­mit­tel­pro­duk­tion tätig.

Mit dem Leitziel der nach­halti­gen Erzeu­gung hochw­er­tiger Pro­duk­te ist die Branche bestens für die Zukun­ft aufgestellt. – Michael Strugl

Dementsprechend wichtig ist das The­ma auch für die oö. Wirtschaft. Lebens­mit­tel und Ernährung gehören zur „smarten Spezial­isierungsstrate­gie” des Lan­des OÖ. Denn im Feld der indus­triellen Lebens­mit­tel­pro­duk­tion hat Oberöster­re­ich das Poten­zial, sog­ar glob­al wet­tbe­werb­s­fähig zu agieren. Eines der Stärke­felder seit dem EU-Beitritt ist der Export von Lebens­mit­teln und Getränken. Lebens­mit­tel-Pro­duk­te im Wert von 2,5 Mrd. Euro, wur­den im Jahr 2015 aus OÖ ins Aus­land exportiert – ein Vier­tel aller öster­re­ichis­chen Exporte in diesem Bereich.

VOM TREND ZUR REGIONALITÄT PROFITIEREN LANDWIRTSCHAFT UND VERARBEITER GLEICHERMASSEN. – MAX HIEGELSBERGER

Ger­ade die hohen Qual­itäts­stan­dards der oö. Pro­duzen­ten und das damit ein­herge­hende große Ver­trauen der Kun­den in oberöster­re­ichis­che Pro­duk­te, sind der Schlüs­sel für den glob­alen und den regionalen Erfolg. So hat sich die Zahl der bäuer­lichen Direk­tver­mark­ter in OÖ zwis­chen 2009 und 2015 um 11 Prozent auf knapp 2.100 erhöht. 8,5 Prozent der bäuer­lichen Betriebe sind nun auch regionale Direktvermarkter.

Bei der Podi­ums­diskus­sion disku­tierten Obmann Dr. Michael Strugl, Agrar­lan­desrat Max Hiegels­berg­er, WKO-Präsi­dent Rudolf Trauner, Lebens­mit­tel­clus­ter-Beiratssprech­er Roland Fis­ch­er, Zukun­fts­forsch­er Eike Wen­zel, HBLA Elm­berg-Schü­lerin Manuela Schoiss­wohl und  Aure­lia Tschi­da, Stu­dentin der FH Wels.

Visionen des „Agrobusiness“ der Zukunft

Um die Sicht der Jugend auf die The­matik Lebens­mit­tel einz­u­fan­gen, hat ACADEMIA SUPERIOR in einem Work­shop im Vor­feld des Tags der Lebens­mit­tel mit Jugendlichen darüber nachgedacht, welche Visio­nen sie für die oö. Lebens­mit­tel­branche 2030 für erstrebenswert hal­ten. Ihre Visio­nen präsen­tierten sie am Tag der Lebensmittel.

Lebensmittelproduktion 2030

Ihre Vision von der Lebens­mit­telzukun­ft umfasst einen Stopp der Lebens­mit­tel-Über­pro­duk­tion und eine bessere Ver­w­er­tung der Lebens­mit­te­labfälle – etwa eine Weit­er­ver­wen­dung durch Insek­ten­far­men. Pro­duzierte Nahrungsmit­tel zeich­nen sich weit­er­hin durch hohe Qual­ität und ethisch vertret­bare Pro­duk­tion­s­meth­o­d­en aus. Das Sys­tem der Agrar-Förderun­gen wird vom Gießkan­nen­prinzip zu ein­er reinen Förderung klein­er Pro­duzen­ten umori­en­tiert sein – mit dem Ziel die klein­räu­mi­gen Struk­turen der heimis­chen Land­wirtschaft zumin­d­est noch teil­weise zu erhal­ten. Direkt- und Onlin­ev­er­mark­tung wer­den zu einem wichti­gen Stand­bein für Land­wirte gewor­den sein.

Lebensmittelkonsum 2030

In Zukun­ft wer­den die Kon­sumenten bess­er informiert sein und bewusster einkaufen – ein­er­seits durch eine bessere Rück­ver­fol­gbarkeit der Pro­duk­t­in­haltsstoffe mit­tels intel­li­gen­ter Ver­pack­un­gen und klaren Kennze­ich­nun­gen (hier ein Vorschlag dazu), ander­er­seits auf­grund der aufgew­erteten Ernährungs­bil­dung in Schulen. Die Lebens­mit­telver­pack­un­gen selb­st wer­den nicht nur „smarter“ sein, son­dern auch aus biol­o­gisch abbaubare Biopoly­meren beste­hen und so die Ver­pack­ung­sprob­lematik weit­er entschärfen.

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„Bio“ und „regional“ – zwei globale Trends

Große Umbrüche am Lebens­mit­tel­markt prog­nos­tiziert Dr. Eike Wen­zel vom Insti­tut für Trend- und Zukun­fts­forschung durch den Trend zum bewussteren Kon­sum von Lebens­mit­teln. Dieser Trend hat nun, nach Europa, auch die USA erfasst. Bio und region­al sind somit die stärk­sten Trends am Lebens­mit­tel­markt und immer mehr Kon­sumenten ver­hal­ten sich in ihrem Kaufver­hal­ten bewusster – wobei das Label „Region­al“ im Kaufver­hal­ten wichtiger ist als „Bio“.

Das Ende von Big Food

Diese Entwick­lung wird, laut Wen­zel, die großen Lebens­mit­telkonz­erne in große Bedräng­nis brin­gen, wenn sie sich nicht rasch darauf ein­stellen und kon­se­quent gen­tech­nikfreie Bio­marken für diese neuen „Food­ies“, also die beson­ders an Ernährung und Lebens­mit­teln inter­essierten Kon­sumenten, die das Essen als wesentlichen Teil ihres Lebensstils iden­ti­fizieren, etablieren und deren Ver­trauen gewinnen.

Das nach­haltige Gesund­heits- und Gemein­schaft­ser­leb­nis beim Essen wird in Zukun­ft stärk­er ins Zen­trum der Kon­sum­inter­essen rück­en. Auf diese Entwick­lung muss sich die gesamte Region ein­stellen, wenn sie als regionale Marke das Ver­trauen der Men­schen erhal­ten will.

In Zukunft zu wenig Platz für Landwirtschaft?

Über die Prob­lematik des Boden­ver­lustes durch die zunehmende Zer­siedelung referierte DI Andreas Man­dl­bauer von der Abteilung Rau­mord­nung des Lan­des OÖ. Vor allem durch neue Sied­lungs- und Verkehrs­flächen gehen in OÖ viele land­wirtschaftlich wertvolle Böden ver­loren – jährlich etwa 800 Hektar.

Innenentwicklung und Verdichtung sind die Zukunft für Gemeinden

Man­dl­bauer betonte, dass es im Sinne der einzel­nen Gemein­den wäre, stärk­er auf die Innenen­twick­lung und Verdich­tung, anstatt auf Auf­schließung neuer Flächen, zu set­zen. Interkom­mu­nale Koop­er­a­tio­nen bei Gewerbe‑, Han­del- oder Freizei­tan­la­gen und die kon­se­quente Mobil­isierung von bere­its gewid­me­ten Flächen sind ein Schlüs­sel auf diesem Weg.

Keine Angst vor der Zukunft

Josef Dom­schitz vom Fachver­band der Nahrungsmit­tel- und Genuss­mit­telin­dus­trie, referierte über weit­ere Her­aus­forderun­gen vor denen die Lebens­mit­tel­branche ste­ht und darüber, wo die neuen Absatzmärk­te für heimis­che Pro­duk­te liegen.

Preisschlachten, Exporte und neue Märkte

Am Heimat­markt ist es vor allem die laufende Preiss­chlacht, die den Pro­duzen­ten stark zuset­zt. Als Resul­tat liegt der Anteil der Aus­gaben für Nahrungsmit­tel an den Kon­sumaus­gaben in öster­re­ichis­chen Haushal­ten bei 10% im Jahr 2014 – das ist der drit­tniedrig­ste Anteil in der Europäis­chen Union. Den sink­enden Preisen am Heimat­markt ste­hen steigende Exportquoten der Pro­duzen­ten gegenüber: die Agrar­ex­porte aus Öster­re­ich sind zwis­chen 1995 und 2015 von 1,8 Mrd. Euro auf über 10 Mrd. Euro angestiegen.

Für die Zukun­ft sieht der Experte die größten Chan­cen für heimis­che Lebens­mit­tel in den USA und den Staat­en Südostasiens, denn hier beste­hen noch rel­a­tiv große Han­delshemm­nisse, deren Abbau den heimis­chen Pro­duzen­ten bish­er immer zum Vorteil gere­icht hatte.

Neue Technologien – neue Lebensmittel

Univ.-Prof. Dr.Ing. Hen­ry Jäger von der Uni­ver­sität für Bodenkul­tur Wien klärte über die neuesten Tech­nolo­gien und Meth­o­d­en zur Halt­bar­ma­chung von Lebens­mit­teln auf.

Ohmsches Erhitzen, Hochdruck, Hochspannungsimpulse und Ultraschall

So kön­nten durch neue Ver­fahren mit­tels Ohm­schem Erhitzen, Lebens­mit­tel vielle­icht in Zukun­ft in den End­ver­pack­un­gen ster­il­isiert wer­den. Durch Hochspan­nungsim­pulse, Hochdruck oder Ultra­schall kön­nten Keime und Mikroor­gan­is­men gezielt zer­stört wer­den oder Lebens­mit­tel ganz neue Eigen­schaften erhal­ten. Grund­la­gen­forschung wird derzeit noch beim möglichen Ein­satz von Enzy­men zur Ver­längerung der Halt­barkeit von Pro­duk­ten betrieben.

Leistungsschau heimischer Lebensmittel-Bildungsanstalten

Zwis­chen den Fachvorträ­gen präsen­tierten Schü­lerin­nen und Schüler aus drei ein­schlägi­gen Bil­dungsin­sti­tu­tio­nen ihre Abschlus­sar­beit­en und zeigten das hohe Aus­bil­dungsniveau und die Aktu­al­ität der behan­del­ten Themen.