Ero­sion kann Ver­fall bedeuten und zugle­ich völ­lig Neues entste­hen lassen. Bei „Cross­ing Art & Sci­ence No.2“ ging es dies­mal um die Frage, wie das The­ma Ero­sion in Kun­st, Wis­senschaft, Gesellschaft und Tech­nolo­gie verortet ist und welch­es Poten­zial sich daraus für diszi­plinenüber­greifende Fragestel­lun­gen eröffnet. Cross­ing Art & Sci­ence ent­stand aus ein­er Koop­er­a­tion der Johannes Kepler Uni­ver­sität Linz, Kun­stu­ni­ver­sität Linz, Tabak­fab­rik und Acad­e­mia Supe­ri­or. Fünf Forscher*innen präsen­tierten in sieben Minuten mit sieben Bildern ihre wis­senschaftlichen Pro­jek­te unter der Per­spek­tive der Erosion.

Mode und Technologie transportieren unsichtbare Werte

Ass.-Prof. Nina Wen­hart, MA von der Abteilung für Fash­ion & Tech­nol­o­gy der Kun­stu­ni­ver­sität Linz sprach ein­gangs über die materiellen und imma­teriellen Werte, die durch schein­bar neu­trale Tech­nolo­gien und Mode trans­portiert wer­den und die durch Ero­sion manch­mal deut­lich sicht­bar wer­den. Als ein Tech­nolo­gie-Beispiel dafür nan­nte sie eine Gesicht­serken­nungssoft­ware, die eine blonde Frau als Auf­druck auf einem T‑Shirt als Men­schen iden­ti­fiziert, den dunkel­häuti­gen Mann, der das Shirt trägt, aber nicht erkennt.

Man sagt, welche Farbe in der näch­sten Sai­son ‚in‘ sein wird, sieht man an der Farbe der Flüsse in Indi­en. – Nina Wenhart

Die Werte der Mod­ein­dus­trie hinge­gen wer­den an deren Abfällen deut­lich. „Man sagt, welche Farbe in der näch­sten Sai­son ‚in‘ sein wird, sieht man an der Farbe der Flüsse in Indi­en“, bemerk­te Wen­hart und fügte kri­tisch hinzu: „Die Mod­ein­dus­trie hat nach der Öl-Indus­trie, den zwei­thöch­sten CO2-Ausstoß weltweit. Was die Welt daher sich­er nicht braucht, sind noch mehr Mod­edesign­er, die nach den alten Mustern vorge­hen und plump neue Tech­nolo­gie auf Mode aufsetzen“.

Erodiert die Männlichkeit?

His­torisch betra­chtet war „Männlichkeit“ immer irgend­wo in der Krise, machte Univ.-Ass. Andreas Ender­lin-Mahr, MA vom Insti­tut für Neuere Geschichte und Zeit­geschichte der Johannes Kepler Uni­ver­sität Linz deut­lich. „Was einen Mann aus­macht, war immer in Verän­derung und Diskus­sion. War ein kom­plex­es, umkämpftes und vielschichtiges Bild“, so der His­torik­er. Daher ist es auch bess­er im Plur­al von Männlichkeit­en zu sprechen um diese Vielfalt begrif­flich abzu­bilden. „Derzeit erleben wir die Ero­sion der dom­i­nan­ten Vorstel­lung ein­er einzi­gen naturgegebe­nen Männlichkeit, die aus dem 19. Jahrhun­dert stammt. Dadurch wird eine mod­erne Diver­sität männlich­er Gen­der­prax­is ermöglicht. Gle­ichzeit­ig kann die Ero­sion alter Männlichkeit­skonzepte ein Vaku­um erzeu­gen, das tox­is­chen Männlichkeit­en Auf­schwung gewährt. Ger­ade deshalb ist die Ero­sion der Männlichkeit Chance und Krise zugle­ich“, meinte Enderlin-Mahr.

Die Verschwundenen wieder sichtbar machen

Wie kann man an Men­schen, die ver­stor­ben sind, wieder erin­nern und sicht­bar machen? Univ.-Ass. Mag. (FH) Katha­ri­na Mayrhofer und Julia Singer, BA von der Abteilung für Visuelle Kom­mu­nika­tion der Kun­stu­ni­ver­sität Linz stell­ten zu dieser Frage ihr Pro­jekt www.migrationeuropedeaths.com vor. Die hohe Zahl von über 42.000 Men­schen aus über 4.000 Vor­fällen, die auf den Migra­tionsrouten nach Europa in den let­zten 18 Jahren star­ben oder als ver­misst gel­ten, wird auf dieser inter­ak­tiv­en Web­site, mit Quellen und Hin­ter­grün­den belegt, erfass­bar und erforschbar. „Ein der­ar­tiges Daten­vi­su­al­isierungs-Pro­jekt ist nur durch viel cross-dis­ci­pli­nary work­ing und die Entwick­lung ein­er gemein­samen Sprache aller Teilnehmer*innen möglich“, beton­ten Mayrhofer und Singer.

Erodierende Energiesysteme

DI Dr. Horst Stein­müller, Geschäfts­führer des Energie­in­sti­tuts an der JKU, sprach über zukün­ftige Verän­derun­gen in der Energiewirtschaft. Er betonte, dass ver­al­tete Energiepoli­tik und ‑tech­nolo­gien, wie die Stromerzeu­gung durch Kohle, ver­schwinden müssen, um ein nach­haltiges Energiesys­tem zu ermöglichen. Was in diesem Prozess aber nicht erodieren muss, sind existierende Energiein­fra­struk­turen, wie Gasleitun­gen, die auch anders genützt wer­den kön­nen, oder unser Wohl­stand und Mobil­ität. „Wir wer­den zum Beispiel weit­er­hin von A nach B kom­men wollen. Die Frage ist nur, ob dafür ein SUV nötig ist, oder ob man dieses Ziel nicht auch anders erre­ichen kann“, erk­lärte der Energieforsch­er Steinmüller.

Was braucht Interdisziplinarität?

Neben finanziellen Mit­teln benötigt Forschung, die über die Gren­zen der einzel­nen Diszi­plinen hin­aus­ge­ht, auch Räume zum Aus­tausch. Ein solch­er Platz wird voraus­sichtlich ab Herb­st mit dem „Kraftwerk – Cen­tre for Inter­dis­ci­pli­nary Research, Art & Sci­ence“ in der Tabak­fab­rik Linz zur Ver­fü­gung ste­hen. Wesentlich sind auch das Find­en ein­er gemein­samen wis­senschaftlichen Sprache und ein Ver­ständ­nis für die unter­schiedlichen Zugänge ander­er Forschungsrich­tun­gen, waren sich die Forscher*innen in der abschließen­den Diskus­sion einig.