
Mit der neuen Diskussionsreihe „KONSENS – Gemeinsam Lösungen entwickeln“ eröffnete Academia Superior gemeinsam mit der Industriellenvereinigung Oberösterreich Anfang Dezember 2025 ein Format, das polarisierende gesellschaftliche Themen sachlich, evidenzbasiert und lösungsorientiert beleuchtet. Ziel ist es, unterschiedliche Perspektiven zusammenzuführen und Wege zu tragfähigen Zukunftsbildern zu entwickeln.
Im Zentrum der Auftaktveranstaltung stand die Frage nach Struktur, Funktion und Zukunftsfähigkeit des österreichischen Steuersystems. Österreich zählt mit einer Abgabenquote von 45,5 Prozent und einer Staatsquote von 56 Prozent zu den Ländern mit der höchsten steuerlichen Belastung in Europa – bei gleichzeitig hohem Investitionsbedarf in Infrastruktur, Bildung, Pflege und Digitalisierung. Diese Ausgangslage bildete den Rahmen für eine fundierte Auseinandersetzung mit Reformmöglichkeiten und langfristigen Steuerstrategien.
Die Ökonomin Dr. Margit Schratzenstaller (WIFO) betonte die Notwendigkeit eines strukturell erneuerten Abgabensystems, das ökologisch verträglich, international wettbewerbsfähig und zugleich beschäftigungs- und gleichstellungsförderlich sein solle. Ein Stufenplan zur Umgestaltung sei erforderlich, inklusive einer Föderalismusreform. Strukturreformen müssten aus ihrer Sicht zu einer sinkenden Abgabenquote führen.
Aus steuerrechtlicher Perspektive unterstrich Univ.-Prof. Dr. Michael Tumpel (Johannes Kepler Universität Linz), dass ein zukunftsfähiges Steuersystem Klarheit, Einfachheit und Verlässlichkeit bieten müsse. Modernisierungen im Bereich der Steuer-Compliance, eine verschlankte Steuerstruktur, der gezielte Einsatz von Digitalisierung sowie Sunset-Regeln könnten Effizienz und Vertrauen stärken. Besonders verwies er auf das Potenzial von Entlastungen beim Faktor Arbeit.
In der anschließenden Diskussion – gemeinsam mit Mag. Anette Klinger (IFN Beteiligungs GmbH) und Mag. Erich Lehner (EY) – wurden zentrale Herausforderungen der Steuerpolitik vertieft. Klinger hob die Bedeutung einer Verantwortungs- und Vertrauenskultur hervor und plädierte für klare, transparente und einfache Regeln. Steuerpolitik könne gesellschaftliche Erwartungen nur dann erfüllen, wenn sie nicht zur Ersatzpolitik für andere Bereiche werde.
Lehner betonte die Rolle von Digitalisierung und KI als Treiber für Effizienzsteigerungen im Steuerwesen. Gleichzeitig verwies er auf die Diskrepanz zwischen dem ursprünglichen Ziel Österreichs beim EG-Beitritt – einer Abgabenquote von 38 Prozent – und dem heutigen Niveau. Eine systematische Evaluierung des Fördersystems, eine Vereinheitlichung der Verfahrensstrukturen und ein präziser Einsatz digitaler Instrumente seien aus seiner Sicht zentrale Reformschritte.
In mehreren Punkten zeichnete sich Konsens ab: Österreichs hohe Steuer- und Abgabenquote, strukturelle Mehrgleisigkeiten und eine komplexe Verwaltungsarchitektur belasten die Wettbewerbsfähigkeit. Ein entschlackter Steuerkodex, eine straffere Verwaltungsstruktur und ein vereinfachtes Förderwesen – idealerweise output-basiert – gelten als wesentliche Voraussetzungen für eine moderne, verlässliche Steuerpolitik. Internationale Beispiele verdeutlichten zudem die Bedeutung gemeinsamer europäischer Lösungen, etwa im Bereich der Steuer-Compliance.
Gleichzeitig wurden Unterschiede in der Bewertung einzelner Maßnahmen sichtbar, etwa beim Thema Erbschaftssteuer. Während Tumpel diese steuerpolitisch befürwortete und Schratzenstaller sie an eine generelle Senkung der Abgabenquote knüpfte, verwiesen Klinger und Lehner auf potenzielle Belastungen für Familienunternehmen.
Mit dem Start von „KONSENS“ ist ein Forum entstanden, das wissenschaftliche Analyse, wirtschaftliche Praxis und gesellschaftliche Perspektiven verbindet. Das Format fördert faktenbasierte Orientierung und trägt dazu bei, zentrale Zukunftsfragen abseits tagespolitischer Kontroversen zu diskutieren und weiterzuentwickeln.


