Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Michael Strugl, Obmann von ACADEMIA SUPERIOR, zum SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM 2017

Kontrolle ist ein Bedürfnis unserer Zeit

Wir leben in ein­er Zeit, wo man manch­mal das Gefühl hat, die Welt gerät aus den Fugen. Ter­ro­ran­schläge mit­ten in Europa, der Aus­tritt Großbri­tan­niens aus der EU, das Wahlergeb­nis in den USA mit allen Kon­se­quen­zen für die Wirtschafts‑, Sicher­heits- und Klimapoli­tik, Cyberan­griffe, Fake News, Medi­en­blasen und vieles mehr.

Wir leben in ein­er Zeit der Umbrüche. Das birgt ein­er­seits große Chan­cen, die erkan­nt und ergrif­f­en wer­den wollen, ander­er­seits nehmen Unsicher­heit­en und Risiken zu. Das Ver­trauen in Insti­tu­tio­nen und Mit­men­schen scheint zu sinken. Die Gegen­wart wird für viele Men­schen daher immer schw­er­er begrei­flich, die Zukun­ft weniger abschätzbar. Daraus resul­tiert ein oft undefinier­bares Gefühl des Kon­trol­lver­lustes und der Ori­en­tierungslosigkeit sowie Sor­gen um die per­sön­liche und gesellschaftliche Zukun­ft. So erk­lärt sich auch das steigende Bedürf­nis nach Kon­trolle, nach Sicher­heit, nach Abgren­zung nach außen und nach ein­fachen Erklärungen.

Die Sor­gen der Men­schen nimmt man nicht ernst, indem man sie schürt.

Dabei haben unsere mod­er­nen, aufgek­lärten und frei­heit­sori­en­tierten Gesellschaften ein sehr ambiva­lentes Ver­hält­nis zum The­ma Kon­trolle: Wir selb­st möcht­en möglichst wenig kon­trol­liert wer­den, aber gle­ichzeit­ig große Kon­trolle ausüben. Wir möcht­en über unser Leben und Schaf­fen selb­st bes­tim­men und lehnen über­bor­dende Bürokratie, Reg­ulierun­gen oder Bevor­mundung ab. Gle­ichzeit­ig wollen wir unser Dasein in geregel­ten und sicheren Bah­nen wis­sen. Wir möcht­en uns auf etwas ver­lassen und auf die Zukun­ft ver­trauen kön­nen. Aber dieses Bedürf­nis, selb­st möglichst viel kon­trol­lieren zu kön­nen und gle­ichzeit­ig selb­st nicht kon­trol­liert zu wer­den, lässt sich im Zusam­men­leben nicht gän­zlich vere­inen und erzeugt Spannungen.

Vertrauen schaffen

Was sind die Antworten auf diese Entwick­lun­gen? Die Auf­gabe der Poli­tik ist es, die Äng­ste der Men­schen ernst zu nehmen. Doch das tut man nicht, indem man sie pop­ulis­tisch anheizt, son­dern indem man durch strate­gis­che Weit­sicht einen Rah­men schafft, der Ver­trauen und Sicher­heit ermöglicht, einen Rah­men, der Kon­trolle mit Ver­ant­wor­tung verbindet.

Ger­ade im Zeital­ter der Dig­i­tal­isierung wird jed­er Men­sch trans­par­enter. Das indi­vidu­elle Han­deln kann stärk­er nachvol­l­zo­gen und überwacht wer­den. Neue Big-Data-Analysemeth­o­d­en ermöglichen es Unternehmen, Parteien oder Staat­en, die Men­schen anhand ihres dig­i­tal­en Nutzungsver­hal­tens immer bess­er einzuschätzen und zu bee­in­flussen. Auch für die dig­i­tale Welt muss gel­ten: Je größer der Ein­griff in die Pri­vat­sphäre, desto stärk­er der Schutz vor Miss­brauch. Derzeit laufen wir jedoch Gefahr, dass das richtige Maß an Kon­trolle selb­st außer Kon­trolle zu ger­at­en droht.

Inno­va­tion braucht Eigen­ver­ant­wor­tung, nicht Kontrolle.

Es gibt besorgnis­er­re­gende Hin­weise darauf, dass durch Fake News und automa­tisierte Chat­bots in den sozialen Medi­en gezielt Wahlbee­in­flus­sun­gen erfol­gt sind. Gle­ichzeit­ig ste­hen unab­hängige Medi­en, die nicht umson­st zu den Grund­säulen der Demokratie gehören, zunehmend vor der Her­aus­forderung, ihre Unab­hängigkeit und Objek­tiv­ität beweisen und vertei­di­gen zu müssen. Auf die Frage, wie man auch in der dig­i­tal­isierten Welt wieder mehr Ver­trauen schaf­fen kann, müssen bald Antworten gefun­den werden.

Ver­trauen beruht auf Gegen­seit­igkeit. Auf diesem Grund­kon­sens des Miteinan­ders ist unsere Gesellschaft aufge­baut. Eine größere Hand­lungs­frei­heit und Eigen­ver­ant­wor­tung wiederum sind der Treib­stoff für Inno­va­tion und Weit­er­en­twick­lung. Sie sind der Grund dafür, warum die „Frei­heits­ge­sellschaften“ die Welt zu einem besseren Ort gemacht haben und die „Kon­trollge­sellschaften“ immer wieder scheit­erten und untergin­gen. Deshalb gilt: Kon­trolle ist gut, aber Ver­trauen ist besser.

Es gibt keine Kon­trolle ohne Kon­trol­lver­lust, keine Sta­bil­ität ohne Insta­bil­ität, keine Sicher­heit ohne Unsicher­heit. Die Welt ist nicht wirk­lich außer Kon­trolle. Sie will gestal­tet wer­den. Und es liegt an uns, dafür Ver­ant­wor­tung zu übernehmen.