Kün­stliche Intel­li­genz (KI) als Basis­tech­nolo­gie genießt in Chi­na höch­ste Pri­or­ität. Das hat vor allem mil­itärische Hin­ter­gründe. Seit Jiang Zemin wer­den in Chi­na, unter dem Stich­wort – shashou­jian – „Dolch­stoßtech­nolo­gien“ entwick­elt, mit dem Ziel der strate­gis­chen Abschreck­ung und zur asym­metrischen Kriegs­führung. Neben KI sind das fern­er Kryp­towährun­gen, mit­tels der­er Chi­na hofft, die Dom­i­nanz des US-Dol­lars im inter­na­tionalen Zahlungsverkehr auszuhebeln.

Im Juni 2017 veröf­fentlichte das Min­is­teri­um für Wis­senschaft und Tech­nolo­gie den „New Gen­er­a­tion Arti­fi­cial Devel­op­ment Plan, AIDP” mit dem unbeschei­de­nen Ziel, Chi­na bis zum Jahr 2030 zur weltweit-führen­den Nation im Bere­ich „Kün­stlich­er Intel­li­genz” (ren gong zhi neng) zu entwick­eln. Der AIDP betont eine dreistu­fige Entwick­lung für Chi­nas KI-Sek­tor: Die erste Stufe, bis 2020 ist bere­its abgeschlossen. In der Zweit­en sollte die Wet­tbe­werb­s­fähigkeit in unter­schiedlichen Bere­ichen der KI aus­ge­baut und neue tech­nol­o­gis­che Stan­dards geset­zt wer­den: Bis 2025 soll Chi­na min­destens einen zen­tralen Durch­bruch in der KI-Bas­is­forschung erre­icht haben und in wesentlichen Anwen­dungs­ge­bi­eten die weltweite Führung über­nom­men haben. Bis 2030 soll Chi­na zum glob­alen Inno­va­tion­szen­trum für KI gereift sein. Im Novem­ber 2018 wur­den die AIDP-Ziele mit dem Zhiyuan Action Plan noch konkretisiert. Der Zhiyuan Plan ver­an­lasste die Grün­dung der BAAI (Bei­jing Acad­e­my for Arti­fi­cial Intel­li­gence) und der New-Gen­er­a­tion AI Inno­va­tion & Devel­op­ment Pilot Zone („Pilot Zone“) sowie des Bei­jing Zhiyuan-Megvii Intel­li­gent Mod­el Design and Image Per­cep­tion Joint Lab (The „Joint Lab“). Die „Pilot Zone“ ist der erste, speziell auf KI fokussierte Inno­va­tion­sclus­ter Chi­nas in Peking, es fol­gten im Mai 2019 Shang­hai und im Sep­tem­ber wur­den Pläne für weit­ere 18 „Pilot Zones“ bis 2023 angekündigt.

Das KI-Ecosystem Chinas

Um Inno­va­tion­ssys­teme im Bere­ich Kün­stlich­er Intel­li­genz (der Fokus liegt hier auf Maschinelles Ler­nen (ML)) ver­gle­ich­bar zu machen, soll­ten vier Indika­toren betra­chtet werden:

1) Die Daten­ver­füg­barkeit:
ML braucht riesige Daten­men­gen damit Algo­rith­men „ler­nen“ kön­nen. Hier genießt Chi­na einen Wet­tbe­werb­svorteil, da Diskus­sio­nen über Dat­en und Pri­vatheit nicht stat­tfind­en und unbeschränk­ter Zugriff möglich ist. Auch der inter­na­tionale Aus­bau der „Dig­i­tal­en Sei­den­straße“ und das Vorantreiben von bei­Dou, einem Satel­liten­nav­i­ga­tion­ssys­tem, dient dem Zugriff auf Daten.

Dieser Wet­tbe­werb­svorteil schwindet allerd­ings, da ein­er­seits die Rel­e­vanz der Daten­quan­tität abn­immt und ander­er­seits, die Bedeu­tung von „Syn­thetis­chen Dat­en” zu Train­ingszweck­en für Maschinelles Ler­nen stark zunimmt.

2) Die KI-Exper­tise:
Für die Entwick­lung von KI ist natür­lich beson­dere Exper­tise nötig, die sich allerd­ings von der zeit­geistig-anmu­ten­den Zahl an „Tal­ents“ unter­schei­det. Gegen­wär­tig sind weniger als 5 Prozent der glob­alen KI-Experten in Chi­na behei­matet und die dom­i­nante Posi­tion des Lan­des in manchen kom­merziellen Anwen­dungs­ge­bi­eten, liegt nach wie vor im Zugang zu inter­na­tionalen Märk­ten, Tech­nolo­gie und Forschung begründet.

3) Die Ver­füg­barkeit von KI-Open Source Soft­ware Plat­tfor­men:
Im All­ge­meinen wird die Ver­füg­barkeit von KI Open Source Soft­ware Plat­tfor­men als notwendi­ge Inno­va­tionsvo­raus­set­zung für unter­schiedliche Anwen­dungs­ge­bi­ete betra­chtet. Direkt nach der Veröf­fentlichung des AIDP hat­te das Min­is­teri­um für Wis­senschaft und Tech­nolo­gie, unter dem Stich­wort der Entwick­lung eines „Nation­al­teams“ (guo­jiadui), ursprünglich vier Unternehmen mit der Entwick­lung von Plat­tfor­men mit unter­schiedlichen Schw­er­punk­ten beauf­tragt: Baidu, Aliba­ba, Ten­cent und iFly­tek. Ein Fün­ftes, Sense­Time wurde 2018 hinzuge­fügt und im August 2019 wurde die Ini­tia­tive auf 15 Unternehmen erweitert.

Obwohl in manchen Bere­ichen Fortschritte erre­icht wer­den kon­nten, basieren die wesentlichen Entwick­lun­gen immer noch auf Google und Microsoft und nach wie vor, sind mehr als zwei Drit­tel davon in den USA beheimatet.

4) Die Hal­bleit­er­pro­duk­tion:
Die eigentliche Achilles­ferse ist der Man­gel an Pro­duk­tions- und Designka­paz­itäten für KI-taugliche Hal­bleit­er­bauteile. In der Entwick­lung dieser beson­ders hochw­er­ti­gen Chips hal­ten US-Unternehmen glob­ale Monopol­stel­lung. Auch durch die Neu­grün­dung von Chip-Design Unternehmen, wie HiSil­i­con durch Huawei oder Ping­touge durch Aliba­ba, bleibt das Prob­lem, dass alle KI-tauglichen Chips bei TSMC, in Tai­wan gefer­tigt wer­den müssen. Der größte Hal­bleit­er­pro­duzent Chi­nas, SMIC (Sem­i­ncon­duc­tor Man­u­fac­tur­ing Inter­na­tion­al Chi­na), hinkt nach aktuellem Forschungs­stand in etwa zwei Gen­er­a­tio­nen (d.h. drei Jahre) dem Stand führen­der Pro­duk­tion­stech­nik hinterher.

Trotz mas­siv­er staatlich­er Sub­ven­tion­ierung von bis zu 30 Prozent der jährlichen Aufwen­dun­gen, würde es nach unter­schiedlichen Experten­schätzun­gen Jahre dauern, bis Chi­na zum Welt­mark­t­führer TSMC aufgeschlossen hätte.

Betra­chtet man diese vier Indika­toren lässt sich ein wesentlich real­is­tis­cheres Bild darstellen und es wird klar, dass von dem vielz­i­tierten Vor­sprung Chi­nas im KI-Bere­ich keine Rede sein kann. Es han­delt sich um eine geplante Aufhol­jagd, die unter Bedin­gun­gen des „strate­gis­chen Wet­tbe­werbs” mit den USA deut­lich erschw­ert wer­den dürfte.

Über den Autor

Dr. Bern­hard Seyringer ist Fore­sight Ana­lyst und leit­et den Think Tank MRV Research in Wien/Brüssel.