In Koop­er­a­tion mit der US-Botschaft und dem Stu­di­en­gang Poli­tis­che Bil­dung der JKU, war der tex­anis­che Wahlkampf-Experte Prof. Daron R. Shaw zu Gast in der ACADEMIA SUPERIOR und disku­tierte mit Obmann Michael Strugl und ein­er Gruppe inter­essiert­er Wis­senschafter und Wirtschaftsvertreter, darunter auch WKOÖ-Vizepräsi­dentin Ange­li­ka Sery-Froschauer, darüber, was Wahlkam­pag­nen erfol­gre­ich macht und wie sie sich im dig­i­tal­en Zeital­ter verän­dern. Anlass dafür war der aktuelle Präsi­dentschaftswahlkampf in den USA, der alte und völ­lig neue Strate­gien, Ansätze und Phänomene zum Vorschein bringt.

Big Data – eine Hochburg für Strategen?

Dank Dig­i­tal­isierung lassen sich Men­schen zunehmend spez­i­fis­chen Ziel­grup­pen zuord­nen. Vor­lieben und Denkmuster kön­nen auf­grund dig­i­taler Spuren, die jede und jed­er von uns im Inter­net hin­ter­lässt, rel­a­tiv leicht zuge­ord­net wer­den. Dadurch stellt die Dig­i­tal­isierung den Kam­pag­nen­strate­gen neue Werkzeuge für die Analyse und ziel­grup­pen­spez­i­fis­che Wer­bung zur Ver­fü­gung. Wer heute mit ein­er poli­tis­chen Kam­pagne erfol­gre­ich sein will, muss Big Data-Analy­sen und das indi­vidu­elle Ansprechen von Bürg­erin­nen und Bürg­ern unter einen Hut brin­gen. „Big Data mit per­sön­lichkeits­be­zo­gen­em Kon­text zu kom­binieren ist wahrschein­lich die effek­tivste Art, Men­schen zu erre­ichen“, ist der amerikanis­che Wahlkampf-Experte Shaw überzeugt.

Von Tür zu Tür — von Gesicht zu Gesicht

Doch Big Data ist nicht die Antwort auf alle Fra­gen. Momen­tan wird vieles in diesem Feld erst aus­gelotet und es fließen Unsum­men an Geld in Auswer­tun­gen, die nicht zwin­gend die erwarteten Resul­tate brin­gen. Für Wahlstrate­gen ist es deshalb derzeit nicht ein­fach, wirk­lich rel­e­vante Inhalte her­auszule­sen, denn was let­ztlich zählt ist die Qual­ität der einge­bracht­en Infor­ma­tio­nen und – noch wichtiger – ob sie über­haupt für das Wahlver­hal­ten rel­e­vant sind.

Deshalb, so ist Shaw sich­er, wird die Dig­i­tal­isierung die klas­sis­chen Instru­mente wie Fernse­hwer­bung oder die direk­te Begeg­nung zwis­chen Kan­di­dat­en und Wäh­lern nicht ablösen. Der typ­is­che Wahlkampf in den USA heißt nach wie vor „face-to-face“ und „door-to-door“ mit Hil­fe der zahlre­ichen frei­willi­gen Helfer in den lokalen „Field Offices“. Nicht umson­st betreibt Hillary Clin­ton derzeit 291 der­ar­tige Wahlbüros in den soge­nan­nten „Bat­tle­ground States“, Don­ald Trump hinge­gen nur 88.

TV schlägt Internet

Michael Strugl zeigte sich über­rascht, dass im aktuellen US-Wahlkampf ver­hält­nis­mäßig wenig Geld in dig­i­tale Kam­pag­nen fließt und ein Über­maß in Fernse­hwer­bung: „In Europa gehen wir davon aus, dass bei Wahlkam­pag­nen die Zukun­ft im Dig­i­tal­en liegt.“ Shaw bew­ertet die Entwick­lung ähn­lich und sieht den Trend zu einem Basis­sock­el an Fernse­hwer­bung und einem Großteil an Aus­gaben für Inter­net und Face-to-Face. „Doch es ist wie beim nuk­learen Aufrüsten: wenn der eine etwas macht, glaubt der andere, er muss nachziehen“, so Shaw.

Aktuelle Stu­di­en des Wis­senschafters, der die Wahlanaly­sen für den ein­flussre­ich­sten amerikanis­chen Nachricht­ensender FOX News macht, zeigen darüber hin­aus, dass Wahlwer­bung im Fernse­hen noch um ein Vielfach­es wirkungsvoller ist, als Wer­bung im Inter­net. Allerd­ings nur gezielte Fernse­hwer­bung, denn bre­it gestreut bringt sie kaum etwas. Genau dor­thin fließen aber auch die größten Wer­beaus­gaben der bei­den Kan­di­dat­en: bish­er 113,9 Mil­lio­nen aus der Clin­ton-Kam­pagne und 18,7 Mil­lio­nen von Trump.

Wenn dann in Zukun­ft immer mehr Fernse­hgeräte mit dem Inter­net verknüpft wer­den, kön­nte auch Wahlwer­bung im Fernse­hen (wie Wer­bung generell) auf die einzel­nen Zuse­her zugeschnit­ten wer­den, um Wahlver­hal­ten noch geziel­ter zu bee­in­flussen. Ähn­lich wie in der Wer­be­branche erwartet sich Shaw dies­bezüglich große Verän­derun­gen bei poli­tis­chen Kam­pag­nen. Stren­gere Daten­schutzregeln in Europa machen dies in unseren Bre­it­en­graden jedoch weit schwieriger umset­zbar als in den USA.

Trump setzt einen Tweet ab – und alle berichten

Weshalb schnei­det also Trump so gut ab, obwohl seine Wer­be­bud­gets weit hin­ter denen von Clin­ton ste­hen? Woher rührt seine Pop­u­lar­ität und Präsenz? „Alles, was Trump tut, ist twit­tern. Das sind 90% sein­er dig­i­tal­en Kam­pagne,“ erk­lärt Shaw. Mit seinen radikalen Tweets erwirkt er zwar kon­tro­ver­sielle aber dafür starke Medi­en­präsenz und Berichter­stat­tung. Damit punk­tet er und posi­tion­iert sich medi­al, ohne dafür viel Geld in die Hand nehmen zu müssen.

Warum Politiker bei TV-Duellen die Fragen nicht beantworten

Poli­tik­er gewin­nen keine Wäh­ler­stim­men, indem sie sich bei möglichst vie­len The­men posi­tion­ieren. Sie gewin­nen, indem sie bes­timmte The­men für sich beanspruchen und alle aufk­om­menden Fra­gen auf „ihr“ The­ma umlenken. Das kann man z.B. in TV-Debat­ten gut verfolgen.

Die The­o­rie dahin­ter heißt „Issue own­er­ship“: Wer die Wäh­ler davon überzeugt, dass es bei der Wahl um genau die The­men geht, die man selb­st dom­i­nant beset­zt hat, wo man Mei­n­ungs­führerschaft aufge­baut hat, wird gewinnen.

„Wenn Trump es schafft, die Leute davon zu überzeu­gen, dass es bei der Wahl um The­men wie: Alt gegen Neu, Inkom­pe­tent gegen Kom­pe­tent, Kor­rupt gegen Nicht-Kor­rupt geht, hat er gute Chan­cen. Wenn es aber eine Links gegen Rechts-Diskus­sion darüber gibt, wie viel wir z.B. für Bil­dung aus­geben sollen, wird Hillary gewin­nen,“ zeigte sich Shaw überzeugt.

Es ist also eine Auseinan­der­set­zung über die Kon­trolle der The­men, nicht über die glaub­hafte Posi­tion­ierung in Sach­fra­gen. „Es geht nicht darum, dass sich der Kan­di­dat im poli­tis­chen Zen­trum zwis­chen links und rechts bewegt, son­dern dass seine The­men die sind, an die der Wäh­ler denkt, wenn er wählen geht.“

Rahmenerzählungen gewinnen Wahlen

Wer derzeit Wahlen gewin­nen will, hat es eigentlich nicht schw­er. Denn es gibt zwei „Rahmen­erzäh­lun­gen“ poli­tis­ch­er Kam­pag­nen, die dem aktuellen weltweit­en poli­tis­chen Trend fol­gend durchge­hend Wäh­ler­stim­men gewin­nen, näm­lich: „Erstens, die Regierung ist kor­rupt und Zweit­ens, die Regierung ist inkom­pe­tent. Sie funk­tion­ieren prak­tisch in jedem poli­tis­chen Sys­tem, das es gibt,“ mah­nt der Experte. Das macht es für Kan­di­datin­nen wie Clin­ton so schwierig, denn sie muss ein­er­seits Oba­ma in Schutz nehmen, sich aber gle­ichzeit­ig abgren­zen. Da hat es ein Quere­in­steiger wie Trump deut­lich ein­fach­er, das Estab­lish­ment anzuprangern.

Wie man Menschen dazu bekommt, wählen zu gehen

Auch zur Mobil­isierung von Wäh­lern stellt Shaw ein denkwürdig ein­fach­es Prinzip vor, das er als „sham­ing“ beze­ich­nete: „Man beschämt die Wäh­ler. Das ist enorm effek­tiv,“ meint der Experte und zeigt auch gle­ich, wie das geht: „Wenn du jeman­dem einen Brief schickst, dass er laut Wäh­lerverze­ich­nis bei den let­zten 10 Wahlen nie wählen war, in sein­er Nach­barschaft aber 80% der Leute schon, wirkt das garantiert bei den meis­ten. Nur tut das kein­er, weil man nie­man­den vor den Kopf stoßen möchte”, ergänzte er. Auch daten­schutztech­nis­che oder ethis­che Fra­gen spie­len in die Ver­wen­dung der­ar­tiger Maß­nah­men natür­lich eine Rolle. (mehr zu der­ar­ti­gen Prak­tiken – auch als Nudg­ing beze­ich­net – hier)

Wann werden wir Online wählen?

Auf die Frage, ob wir in naher Zukun­ft auch über das Inter­net unsere Stim­men abgeben wer­den, wink­te Shaw ab: „Wir sind noch min­destens 12 Jahre ent­fer­nt von Inter­net-Wahlen. Die Sicher­heit­srisiken sind zu hoch und ger­ade in den USA ist man aus Angst vor Hack­eran­grif­f­en sehr vor­sichtig“. Erschw­erend komme noch hinzu, dass es in jedem Bun­desstaat ein eigenes Wahlrecht gibt, das macht die Sache enorm komplex.