„Das Glück, im richtigen Moment die richtigen Menschen zu treffen”

Wenn wir von Jugend sprechen geht es um eine prä­gende Phase der Iden­tität­sar­beit, um Ver­ankerung in der Gesellschaft und Ele­mente, die dem Leben Sta­bil­ität geben. „Was heißt aber Iden­tität?” fragt Sed­mak und iden­ti­fiziert drei Para­me­ter: Zuge­hörigkeit, Anerken­nung und starke Sorge. So muss man es jun­gen Men­schen möglichst ein­fach machen, Zuge­hörigkeit­en zu iden­titäss­tif­ten­den Grup­pen zu find­en. Bei der Anerken­nung warnt Sed­mak vor dem „dan­ger of praise”, also der Gefahr, zu viel oder zu generell zu loben, anstatt ehrlich­es, spez­i­fis­ches Feed­back zu geben. Für die Iden­titäts­find­ung ist auch das Auf­brin­gen, „stark­er Sorge” wichtig. Junge Men­schen sollen deshalb Unter­stützung dabei erfahren, für sich selb­st her­auszufind­en, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Iden­tität­sar­beit in diesem Sinn bedeutet, Zugänge zu begleit­en. Jugendliche brauchen den Zugang zu einem dicht gestrick­ten Netz an Gele­gen­heit­en, im richti­gen Moment die richti­gen Men­schen zu treffen.

Was kann ich bewegen?

„Wir schulden jun­gen Men­schen den Zugang zu Selb­stach­tung und Selb­st­wirk­samkeit” ist Sed­mak überzeugt. Zu den Quellen der Selb­stach­tung gehören die Zuge­hörigkeit zur Men­schheits­fam­i­lie — also als Men­sch wahrgenom­men und ernst genom­men zu wer­den -, Hand­lungs­macht — also das eigene Han­deln als wirk­sam zu erleben — und Par­tiku­lar­ität — also als unver­wech­sel­bares Indi­vidu­um wahrgenom­men zu werden.

Wir brauchen mehr VIPs: Very Impressive Persons

Junge Men­schen sollen ver­mehrt die Möglichkeit haben, von „Very Impres­sive Per­sons” zu ler­nen, also jenen Men­schen, die Ausstrahlung durch das Zeug­nis ihres Lebens haben.

Companionship und innerer Reichtum

Zur Schaf­fung eines Lebens­fun­da­mentes ist Com­pan­ion­ship im Sinne ein­er Begleitung, die den jun­gen Men­schen ernst nimmt, von größter Bedeu­tung. Junge Men­schen haben ein Recht auf Achtung und die wichtig­ste Qual­ität, die eine solche Begleit­per­son mit­brin­gen muss ist: keine Angst vor Über­raschun­gen. Auch die Zunahme inner­er Armut sieht Sed­mak als Gefahr für das Lebens­fun­da­ment. Junge Men­schen kön­nen sich oft nicht selb­st beschäfti­gen, sind entrhyth­misiert, halt­los und äußeren Reizen aus­geliefert. Sich mit sich selb­st beschäfti­gen kön­nen schafft einen inneren Reich­tum, der im Leben Halt gibt.

Kulturelles und soziales Startkapital

Was braucht man zum Start ins Leben? Kap­i­tal. 60.000 Euro Start­geld bei der Volljährigkeit zum Exis­ten­za­uf­bau für jede und jeden Schu­la­bgänger, meinte die Böll-Stiftung unlängst. Doch Sed­mak fasst den Begriff weit­er und sieht die Ver­ant­wor­tung gegenüber der Jugend in der Ver­füg­bar­ma­chung von kul­turellem und sozialem Kap­i­tal. Unter kul­turellem Kap­i­tal sub­sum­iert der Philosoph Bil­dung. Dabei zen­tral ist das Wis­sen um die eige­nen Fähigkeit­en und Unfähigkeit­en und der Umgang damit. So sollte sein­er Mei­n­ung nach kein junger Men­sch die Schule ohne Kom­pe­tenz­bi­lanz ver­lassen, in der ihre oder seine gen­uinen Begabun­gen fest­ge­hal­ten sind: „Denn wenn man weiß, welche Fähigkeit­en man hat, kann man sie immer und über­all hin mitnehmen.”

Ein weit­eres kul­turelles Startkap­i­tal sind Kon­tak­te und Net­zw­erke. Die Lösung dafür: ein Men­tor­ing-Net­zw­erk. Auch hier schläg Sed­mak vor, Jugendlichen zum Schu­la­b­schluss vier Men­torin­nen oder Men­toren qua­si als Pat­en mit auf den Weg zu geben.

Aus Situationen Gelegenheiten machen

„Gele­gen­heit­en sind oft über­schätzt” spricht Sed­mak vom infla­tionären Sprachge­brauch der „oppor­tu­ni­ties”. Gele­gen­heit­en entste­hen nicht im luftleeren Raum, sie wer­den geschaf­fen. Wichtig ist zu wis­sen, was man will, denn Oppor­tu­nität­skosten steigen mit der Wahlmöglichkeit. Auch der „entre­pre­neur­ial spir­it”, die Fähigkeit zum „unternehmerischen Selb­st”, ist in diesem Zusam­men­hang unab­d­ing­bar. Nicht zulet­zt ist die Oppor­tu­nitäts­fähigkeit auss­chlaggebend, mit der Sed­mak die Fähigkeit beze­ich­net, aus ein­er Sit­u­a­tion eine Gele­gen­heit zu machen. Bei der Schaf­fung von Gele­gen­heit­en geht es also um den Sinn für die Möglichkeit, die Wirk­lichkeit und die Rich­tung, wohin man will.

Wir können uns nicht leisten, junge Menschen nicht teilhaben zu lassen

Als „rip­ple effect” beze­ich­net man die Auswirkun­gen von Verän­derun­gen in einem Bere­ich auf ganz andere Bere­iche. So sind die Kosten der Arbeit­slosigkeit weit größer, als unmit­tel­bar finanziell errechen­bar und ziehen sich durch Ebe­nen wie das Ver­ler­nen von Fähigkeit­en oder Verän­derun­gen im Sozialver­hal­ten. Einen solchen Effekt auf eine Vielzahl gesellschaftlich­er Bere­iche gibt es auch bei man­gel­nder Par­tizipa­tion junger Men­schen. Ern­sthafte Teil­habe oder Par­tizipa­tion gibt es auf vier Ebe­nen: man kann junge Men­schen zur Ken­nt­nis nehmen, sie anhören, sie mitentschei­den lassen oder Eigen­ver­ant­wor­tung über­tra­gen. Sed­mak plädiert für die Teil­habe im vierten Sinn und führt eine Rei­he an Beispie­len von Exper­i­menten an, in denen Kinder und Jugendliche Ver­ant­wor­tung über­tra­gen bekom­men. Auch das Erleben dieser Eigen­ver­ant­wor­tung wirkt pos­i­tiv in unter­schiedlichen Bere­ichen des Lebens weiter.

Was braucht die Gesellschaft als Ganzes?

Als Vorschlag, um der Frage auf den Grund zu gehen, wie eine kinderg­erechte als auch alters­gerechte Gesellschaft ausse­hen kön­nte, präsen­tiert Sed­mak die Idee eines Konzils mit der Vertre­tung von zwei Grup­pen: Junge Men­schen und schw­er kranke Men­schen. Den schw­er kranken Men­schen spricht Sed­mak die Autorität der Ster­ben­den zu, also jene Stimme, die das Wesentliche von dem Unwesentlichen unter­schei­den kann.

Politik der Freiräume

„Jugend — Hoff­nungsträger oder ver­lorene Gen­er­a­tion? Lebensen­twürfe zwis­chen Opti­mis­mus, Gle­ichgültigkeit und Ver­weigerung” war das The­ma der Reich­ers­berg­er Pfin­gst­ge­spräche. Dabei ging auch Lan­deshaupt­mann Dr. Josef Pühringer auf die Frage ein, welchen Gestal­tungsspiel­raum wir für unsere Kinder und Enkel lassen und welchen Ruck­sack wir ihnen auf den Weg mit­geben. Wie Albert Schweiz­er es pointiert for­mulierte: „Keine Zukun­ft ver­mag gut zu machen, was du in der Gegen­wart ver­säumst.” Wir kön­nen Wan­del also gestal­ten oder von ihm gestal­tet wer­den. Den Spiel­raum dafür gilt es zu schaf­fen, um Zukun­ftsver­ant­wor­tung schon heute wahrzunehmen.